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Meine Seele weiß von dir

Meine Seele weiß von dir

Titel: Meine Seele weiß von dir
Autoren: Sabine Ludwigs
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Trostworte zu, die mich in dem Leben vor diesem Leben getröstet haben mögen. Jetzt tun sie es nicht. Mir flattern die Nerven. Ich will zurück in meinen Schrank. Aber das spreche ich natürlich nicht aus.
    Leander geht voraus. Er öffnet die Autotüren, stellt meine Tasche in den Kofferraum und setzt sich hinter das Steuer des von der Sonne aufgeheizten Wagens.
    Lisa und ich lassen uns im Fond nieder.
    „Dann wollen wir mal.“ Leander zwinkert mir mit einem Auge aufmunternd im Rückspiegel zu. Ich finde heraus, dass ich diese Fertigkeit nicht beherrsche. Oder habe ich bloß vergessen, wie das geht?
    Bald verbreitet die Klimaanlage eine angenehme Kühle. Wir lassen den Stadtverkehr rasch hinter uns. Büsche und Felder fliegen vorüber, bevor wir für etliche Kilometer einer baumgesäumten Landstraße folgen. Die Eintönigkeit der Landschaft lässt mich ruhiger werden.
    Während der Fahrt sitzen meine Schwester und ich nebeneinander auf dem Rücksitz. Ich sehe, dass sie einige Male zum Sprechen ansetzt, es sich dann aber offenbar anders überlegt. Womöglich ahnt sie, dass ich mich nicht unterhalten möchte. Oder sie ist verunsichert und sich nicht im Klaren , worüber sie mit mir reden soll, jetzt, wo sie erstmalig persönlich mit dem ganzen Ausmaß meiner Amnesie konfrontiert wird.
    Ich habe keine Ahnung, ob ich meine Schwester, nein, ob ich Lisa mag. Doch ich kann mir ehrlich gesagt gar nichts anderes vorstellen. Jedenfalls ist sie mir sehr sympathisch.
    Aus diesem Grund nehme ich, wenn auch zaghaft, ihre Hand, die neben meiner liegt, und drücke sie. Nicht weil es mir Trost spenden soll, sondern ihr.
     
    Mein und Leanders Zuhause ist ein Reetdachhaus inmitten eines eindrucksvollen Gartens. Um diese Jahreszeit blühen die Rosen und die Rhododendronbüsche in sämtlichen Farben. Vor der Tür hockt eine kohlschwarze Katze. Als sie uns sieht, kommt sie uns miauend entgegen und windet sich schnurrend um meine Beine.
    Bin ich ein Tierfreund? Mag ich Katzen?
    Leander nimmt die Katze hoch. Ein einzelnes weißes Barthaar sticht zwischen den schwarzen hervor. Das Tier reibt sein Köpfchen hingebungsvoll an Leanders Kinn. „Das ist Rainer Maria“, sagt er.
    Ich streichele das weiche Fell. Rainer Maria schnurrt noch lauter, was mich zum Lachen bringt. „Gehört er uns?“
    „Ja, dir. Du hast ihn nach Rilke, deinem Lieblingsdichter, genannt. Und zwar wegen eines seiner Gedichte: Schwarze Katze. Außerdem wolltest du unbedingt, dass er einen Doppelnamen bekommt, weil ich dich gerne wegen deines Namensticks aufziehe.“
    „Namenstick?“
    „Ja. Du kannst es nicht ausstehen, wenn Namen verstümmelt werden – wie du es nennst. Wenn dich jemand mit Sina statt Sina-Mareen anspricht, könntest du an die Decke gehen.“
    Rainer Maria zappelt. Lachend setzt Leander ihn auf den Boden, von wo aus der Kater mit hoch aufgerichtetem Schwanz gemächlich in den Büschen verschwindet.
    Im Haus ist es schattig und kühl. Die Einrichtung, Möbel aus hellen Hölzern im mediterranen Stil, ist modern und freundlich. An den Wänden hängen Kunstdrucke und Gemälde, die Landschaften oder Stillleben darstellen. Üppige Pflanzen in Terracottatöpfen sind im Haus verteilt, ein Ambiente wie in der Toskana.
    Das also ist mein Geschmack.
    Ich gehe von Zimmer zu Zimmer, als wäre ich ein Gast, der sich alles anschaut. Leander und Lisa folgen mir. Sie sehen aus, als ob sie erwarteten, dass ich mich bei meinem Rundgang jeden Augenblick in die ihnen vertraute Sina-Mareen verwandele, das Haus erkenne, meine Schwester, meinen Mann. Einfach alles.
    Sie wirken auf mich wie erwartungsvolle Kinder. Wie Tommy und Annika in der Villa Kunterbunt. Über diesen Vergleich muss ich lächeln und ich sehe, dass es ihnen gefällt.
    Von der Diele führt eine geschwungene Treppe in das obere Geschoss. „Da oben sind die Schlafzimmer, Bad, Gästezimmer, mein Arbeitsraum und dein Atelier“, zählt Leander auf, als hätte ich ihn darum gebeten. Er fragt mich, ob ich hinauf möchte.
    „Später.“
    „Wie du willst.“ Er nimmt meine Tasche und bringt sie allein nach oben.
    Im Wohnzimmer gibt es einen schlichten Marmorkamin. Auf dem Sims stehen mehrere Fotos. Lisa nimmt eines herunter. Darauf sind zwei grinsende, braungebrannte Mädchen in Schwimmhöschen. Sie haben Zahnlücken, Pferdeschwänze und bauen an einem Strand eine Sandburg.
    „Das sind wir in Rimini“, erklärt sie. „Du warst sieben, ich fünf Jahre alt, und obwohl du die Ältere bist, warst du zu der
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