Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tod des Staatsanwalts (German Edition)

Der Tod des Staatsanwalts (German Edition)

Titel: Der Tod des Staatsanwalts (German Edition)
Autoren: Rebecker, Renate Gatzemeier
Vom Netzwerk:
Prolog
     
     

    Zum letzten Mal tastete seine Hand nach dem Umschlag, den er in der inneren Brusttasche seiner Jacke verwahrt hielt. Im Schein der Straßenlaterne suchte er die Briefkästen nach einem bestimmten Namen ab. Als er ihn gefunden hatte, schweifte sein Blick argwöhnisch in alle Himmelsrichtungen, bevor er das Kuvert in den Kasten gleiten ließ. Ungeduldig betätigten die zittrigen Finger den Klingelknopf, während sein Mund sich der Gegensprechanlage näherte. Eine männliche Stimme meldete sich. Hastig sprach er die wohl durchdachten Worte.
    „ In Ihrem Briefkasten befindet sich eilige Post.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, machte er auf dem Absatz kehrt und rannte zurück zu seinem Wagen. Mit klopfendem Herzen nahm er wieder auf dem Fahrersitz Platz und steckte sich eine Zigarette an. Von seinem Standort aus konnte er die außerhalb des Gebäudes angebrachten Briefkästen überblicken. Vor lauter Nervosität merkte er nicht einmal, wie die Asche zwischen seine Oberschenkel fiel. Nur wenige Augenblicke nach seinem Rückzug ins Auto, trat ein älterer Mann vor die Haustür. Nur mit Jogginghose und T-Shirt bekleidet, waren die Tätowierungen an seinen Armen nicht zu übersehen. Prüfend glitten seine Augen über das Gelände, bevor er mit einem Schlüssel seinen Postkasten öffnete und den Umschlag daraus entnahm. Scheinbar gelangweilt riss er ihn auf und überflog die wenigen Zeilen. Anschließend faltete er den Brief sorgfältig zusammen und verstaute ihn im Hosenbund. Den Umschlag zerriss er in aller Seelenruhe in viele kleine Stücke und warf sie achtlos in den Mülleimer. Betont lässig schlenderte er auf die Parkbuchten zu.
    Ich verdammter Idiot. Wieso musste ich auch warten, bis das Arschloch aus dem Haus rauskommt. Warum bin ich nicht gleich wieder abgedampft. Jetzt ist es zu spät. Scheiße, scheiße, scheiße. … Überhastet warf der Mann im Auto seine glühende Zigarette aus dem Seitenfenster und versuchte sich hinter dem Lenkrad so klein wie möglich zu machen. Schweiß brach aus all seinen Poren und er verfluchte jenen Augenblick des gestrigen Abends, als er glaubte, die beste Idee seines ganzen Lebens in die Tat umsetzen zu können. Nur ein kleiner Erpressungsversuch und er wäre alle Schulden los.

Montag, 28. Oktober 2013, 19.00 Uhr
     
     

    Gemächlich bewegte Hermann Müllerich sich vom Feldweg aus kommend, auf die schwach befahrene Landstraße zu. Sie führte durch die Kleinstadt, in der er wohnte. Nur noch wenige hundert Meter trennten ihn von seinem Haus, das am Stadtrand von Berzberg lag. Gemeinsam mit Labrador Rüde Gustav, hatte der Achtundsechzigjährige seine letzte Runde des Tages absolviert. Zweieinhalb Stunden waren sie unterwegs gewesen. Jetzt freute er sich auf ein Glas Rotwein vor dem knisternden Kamin. Sein Heim lag ein wenig abseits, unmittelbar am Waldrand. Hier wohnte er in trauter Zweisamkeit mit seiner jüngeren Schwester Agnes Meirich. Nach dem Tod seiner Frau vor etlichen Jahren, hatte er darauf bestanden, dass die alleinstehende Agnes zu ihm zog und seinen Haushalt führte. Sie, die seit langer Zeit isoliert und zurückgezogen lebte, hatte sich seinen Wünschen gefügt. Vor einem Jahr war sie zusammen mit ihm aus der Kreisstadt Gössingen, an den Harzrand gewechselt.
    Der Novembernebel senkte sich mit der Dämmerung und verlieh dem Schein der Straßenlaternen ein rußiges Grau. Lächelnd dachte Hermann Müllerich an seine Schwester Agnes, die vermutlich ungeduldig mit dem Abendbrot auf ihn warten würde. Ganz gleich, wie früh oder spät er von seinem Marsch zurückkehrte, der Tisch war stets fertig gedeckt. Aber sie wusste auch, dass der Abendgang der ausgiebigste des Tages war. Ein kühler Ostwind trieb ihn hinterrücks zu immer schnelleren Schritten an. Mit der freien Hand stellte er seinen Mantelkragen auf und nahm sich vor, beim nächsten Mal einen Hut aufzusetzen und Handschuhe anzuziehen. Ein junger Mann kam ihm entgegen und hastete grußlos an ihm vorüber. Er schien es eilig zu haben. In Gedanken versunken, registrierte Hermann Müllerich den Geruch von Tabak und Alkohol. Nur wenige Meter weiter, glaubte er hinter sich das Geräusch eines näher kommenden Fahrzeugs wahrzunehmen. Nahezu zeitgleich ließ ihn ein erstickter Aufschrei zusammenfahren und für einen Augenblick wie versteinert in seiner Bewegung innehalten. Seine Hand umschloss haltsuchend die Hundeleine, bevor er sich mit heftig klopfendem Herzen umdrehte. Nur zögernd wagte er einen Blick in
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher