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Ich wuenschte, ich koennte dich hassen

Ich wuenschte, ich koennte dich hassen

Titel: Ich wuenschte, ich koennte dich hassen
Autoren: Lucy Christopher
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einen Schritt ins Jenseits getan. Allerdings fehlten die Engel.
    Ich zwang mich dazu, die Augen zu öffnen und mich umzusehen. Nichts bewegte sich und nirgends gab es das geringste Anzeichen von dir. Rechts von dem Haus standen zwei kleine Schuppen. Sie wirkten provisorisch zusammengezimmert, die Planken waren mit Holz und Metallbändern aneinandermontiert. Unter einem Blechdach neben den beiden Schuppen parkte ein zerbeulter Geländewagen mit einem Anhänger. Und dann gab es noch das, was drum herum war.
    Aus meiner Kehle drang ein Laut, als würde ich ersticken. So weit mein Blick reichte, war da einfach nichts. Eine ebene, gleichmäßig braune Fläche erstreckte sich bis zum Horizont. Sand und noch mehr Sand, hier und da eine Ansammlung kleiner, armseliger Büsche und dann und wann ein Baum ohne Blätter. Das Land war tot, verdurstet. Ich war im Nirgendwo gelandet.
    Ich wandte mich um. Es gab sonst keine Häuser. Keine Telefonleitungen und keinen Straßenbelag. Es gab überhaupt nichts. Nur Leere. Nur Hitze und Horizont. Ich grub die Fingernägel tief in meine Handflächen und wartete auf den Schmerz, der mir bewies, dass das hier kein Albtraum war, sondern Realität.
    Schon als ich mich aufmachte, wusste ich, dass es sinnlos war. Wohin sollte ich abhauen? Es sah überall gleich aus. Mir wurde klar, warum du die Tür nicht zugesperrt und mich nicht ans Bett gefesselt hattest. Hier draußen gab es nichts und niemanden. Nur uns.
    Meine Beine waren steif und setzten sich mühsam in Bewegung, die Oberschenkel begannen mir sofort wehzutun. Meine nackten Füße schmerzten. Auch wenn der rötliche Boden aussah, als wäre da so gut wie nichts, gab es doch immer wieder scharfkantige Steinchen, Dornen und kleine Wurzeln. Ich biss die Zähne zusammen, zog den Kopf ein und sprang über die besonders unebenen Stellen. Aber der Sand war so heiß, dass auch das wehtat.
    Natürlich hast du mich entdeckt. Ich hörte, wie das Auto angelassen wurde, als ich gerade mal hundert Meter weit vom Haus entfernt war. Trotzdem lief ich weiter, wobei mir jeder Schritt in der Blase wehtat. Ich wurde sogar schneller. Ich richtete meinen Blick auf einen entfernten Punkt am Horizont und rannte. Mein Atem ging krächzend und meine Beine fühlten sich tonnenschwer an. Meine Füße bluteten. Ich hörte, wie sich die Reifen in den Staub gruben, sie kamen immer näher.
    Ich versuchte im Zickzack zu laufen, in der Hoffnung, dich auf die Art abzuhängen. Ich war total außer mir, ich schluckte und schluchzte und schnappte nach Luft. Aber du bist immer näher gekommen, fuhrst mit schlingernden Reifen und dröhnendem Motor schnell hinter mir her. Ich sah dich am Lenkrad kurbeln, den Wagen herumreißen.
    Kurz blieb ich stehen und änderte die Richtung, aber du warst wie ein Cowboy mit einem Lasso: Du hast mich eingekreist, mir jede Fluchtmöglichkeit abgeschnitten. Mich langsam näher herangeholt, mich müde gemacht. Es war nur eine Frage der Zeit, bis ich nicht mehr konnte, das war dir klar. Aber wie eine wild gewordene Kuh lief ich trotzdem immer weiter, rannte in enger werdenden Kreisen vor dir weg. Irgendwann würde ich zusammenbrechen.
    Du bliebst stehen und machtest den Motor aus.
    »Das hat doch keinen Zweck«, riefst du mir zu. »Du findest nichts. Da ist niemand.«
    Ich fing an zu weinen, große Schluchzer stiegen in mir auf und ich hatte das Gefühl, nie mehr aufhören zu können. Du machtest die Tür auf und packtest mich am Genick. Du zogst mich zu dir hoch, meine Arme schleiften über den Boden. Da drehte ich den Kopf und biss dich in die Hand. Richtig fest. Du hast geflucht. Ich wusste, dass ich dich blutig gebissen hatte. Ich konnte es schmecken.
    Ich sprang auf und rannte los. Aber du warst gleich wieder über mir, wahnsinnig schnell. Dieses Mal warfst du mich mit dem Gewicht deines Körpers einfach um. Sand schrammte über meine Lippen. Du lagst auf mir, deine Brust drückte gegen meinen Rücken, deine Beine gegen meine Oberschenkel.
    »Gib auf, Gemma. Kapierst du nicht, dass du nirgends hinkannst?« Du hast fast geknurrt.
    Ich kämpfte, aber du warst stärker, drücktest mir die Arme dicht an die Flanken, quetschtest mich zusammen. Dein Körper lag schwer auf meinem und ich schmeckte Staub.
    Da ließ ich die Pisse einfach laufen.
     
     
    Den ganzen Weg zurück schrie und kämpfte ich. Ich biss dich immer wieder und spuckte dich an. Trotzdem hast du mich nicht losgelassen.
    »Hier draußen stirbst du«, fauchtest du. »Begreifst du das
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