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Ich wuenschte, ich koennte dich hassen

Ich wuenschte, ich koennte dich hassen

Titel: Ich wuenschte, ich koennte dich hassen
Autoren: Lucy Christopher
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Erdbeermilchshakes unterhalten können. Danach wäre ich wieder zu meinen Eltern gegangen. Ich blickte hoch in dein Gesicht, sah die Lachfältchen. Das tiefe Blau deiner Augen war voller Geheimnisse. Sie zogen mich magisch an.
    »Ich hab mich gerade erst von meiner eigenen Familie abgesetzt«, sagte ich. »Ich will nicht schon wieder eine.«
    »Na, umso besser.« Du hast mir zugezwinkert. »Also eine Portion Zucker.«
    Du führtest mich dorthin, wo du vorher gesessen hattest. Es saßen noch ein paar andere Leute in der Nähe von deinem Tischchen, was mich beruhigte. Ich brauchte zehn Schritte bis dorthin. Benommen setzte ich mich auf einen Stuhl gegenüber vom Fenster. Ich sah dir zu, wie du den Kaffeebecher zur Theke hinübertrugst und den Deckel abnahmst. Ich sah, wie du Zucker in den Kaffee kipptest und wie dir beim Vorbeugen die Haare ins Gesicht fielen. Du hast gelächelt, als du bemerkt hast, dass ich dir zusehe. Ich frage mich, ob es da passiert ist. Hast du gelächelt, während du es getan hast?
    Ich muss einen Moment lang weggeschaut haben, vielleicht um die Flugzeuge zu beobachten, die auf der anderen Seite der Scheibe starteten. Ein Jumbojet wankte auf seinem Fahrwerk und hinterließ schwarze Rauchwolken in der Luft. Ein zweiter stand in Warteposition. Deine Hände müssen schnell gewesen sein beim Reinkippen. Ob du dir wohl ein spezielles Ablenkungsmanöver ausgedacht hast oder ob einfach niemand geguckt hat? Es muss irgendein Pulver gewesen sein, denke ich mir, wahrscheinlich nur ganz wenig davon. Vielleicht sah es wie Zucker aus. Jedenfalls schmeckte es so.
    Ich wandte mich wieder um und sah, wie du zum Tisch kamst und dabei geschmeidig um die anderen Passagiere herumkurvtest, die dir mit ihren Kaffeebechern in der Hand in den Weg traten. Du schautest keinen von ihnen an. Nur mich. Vielleicht hat dich deshalb niemand wahrgenommen. Du hast dich wie ein Jäger bewegt, bist leise neben einer Reihe von Topfpflanzen entlanggetrottet, direkt auf mich zu.
    Du stelltest zwei Kaffeebecher auf den Tisch und schobst einen davon rüber zu mir, den andern ignoriertest du. Du hast einen Teelöffel zwischen die Finger genommen und ihn lässig um deinen Daumen kreisen lassen, um ihn dann wieder aufzufangen. Ich betrachtete dein Gesicht. Du warst auf eine raue Art schön, aber du warst auch älter, als ich zuerst gedacht hatte. Eigentlich zu alt dafür, dass ich hier mit dir herumsaß. Anfang oder Mitte zwanzig, vielleicht sogar noch älter. Als ich dich aus der Ferne in der Schlange am Check-in gesehen hatte, warst du mir dünn und eher klein vorgekommen, wie die Achtzehnjährigen an meiner Schule. Aber als ich dich jetzt ganz aus der Nähe anschaute, merkte ich, dass deine Arme sehnig und sonnengebräunt waren, und deine Gesichtshaut wirkte gegerbt von Wind und Wetter. Du warst braun wie ein Haufen Dreck.
    »Ich bin Ty«, sagtest du.
    Dein Blick schnellte kurz zur Seite und dann wieder zurück, bevor du mir deine Hand entgegenstrecktest. Deine Finger lagen warm und rau auf meiner Hand, als du sie nahmst und sie festhieltst, doch richtig geschüttelt hast du sie nicht. Du zogst nur eine Augenbraue hoch und ich begriff plötzlich, worum es dir ging.
    »Gemma«, sagte ich reflexhaft.
    Du hast genickt, als wüsstest du das schon. Und so war es ja auch.
    »Wo sind deine Eltern?«
    »Die sind schon vorne am Gate und warten auf mich.« Nervös fügte ich hinzu: »Ich hab ihnen gesagt, ich wäre gleich wieder da – ich wollte nur schnell einen Kaffee.«
    Deine Mundwinkel hoben sich und du lächeltest ein bisschen. »Wann geht euer Flug?«
    »In etwa einer Stunde.«
    »Und wohin?«
    »Vietnam.« Du wirktest beeindruckt. Ich lächelte dich an, zum ersten Mal, glaube ich. »Mum ist dauernd dort«, ergänzte ich. »Sie ist Kuratorin – so eine Art Künstlerin, die Bilder sammelt, statt selbst zu malen.«
    Keine Ahnung, warum ich das Gefühl hatte, ich müsste es erklären. Wahrscheinlich war es ein Reflex, den ich mir in der Schule angewöhnt hatte, wo dauernd Leute irgendwas von mir wissen wollten, die keinen Plan hatten.
    »Und dein Vater?«
    »Er arbeitet in der City – er ist Börsenmakler.«
    »Also ein Nadelstreifentyp.«
    »Könnte man sagen. Ich find’s ja ziemlich langweilig, sich um das Geld von andern Leuten zu kümmern, aber er sieht das ganz anders.«
    Ich merkte, dass ich ins Plappern kam, und nahm einen Schluck von meinem Kaffee, um meinen Redefluss zu stoppen. Beim Trinken sah ich, dass dir Schweiß aus den
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