Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich wuenschte, ich koennte dich hassen

Ich wuenschte, ich koennte dich hassen

Titel: Ich wuenschte, ich koennte dich hassen
Autoren: Lucy Christopher
Vom Netzwerk:
nicht?«
    Ich trat nach dir, so fest ich konnte, ans Schienbein, in die Eier, überallhin, wo ich dich erwischte. Aber dein Griff lockerte sich nicht. Meine Tritte führten nur dazu, dass du mich noch schneller weiterzerrtest. Du warst stark. Verdammt stark dafür, dass du so dünn wirktest. Du schleiftest mich über den Sand zurück zum Haus. Ich machte mich so schwer, wie ich konnte, und hörte nicht auf, zu schreien und zu treten wie ein wildes Tier. Du zogst mich quer durchs Haus und sperrtest mich in das finstere Badezimmer. Ich brüllte und schlug um mich und versuchte, die Tür mit Tritten wieder aufzukriegen. Aber es war zwecklos. Du hattest sie von außen zugesperrt.
    Es gab keine Fenster, die ich hätte einschlagen können. Darum machte ich die Tür am andern Ende auf. Wie ich vermutet hatte, war dort das Klo, das etwas tiefer lag. Ich stieg die beiden Stufen hinunter. Um die Kloschüssel herum war der Boden nicht mit Brettern bedeckt und die raue Erde tat meinen zerschundenen Füßen weh. Auch hier gab es kein Fenster und die Wände bestanden aus rohen, rissigen Holzplanken mit winzigen Lücken dazwischen. Ich stemmte mich dagegen, aber sie gaben nicht nach. Ich hob den Klodeckel. Drinnen war ein tiefes, dunkles Loch, aus dem der Gestank von Kacke stieg. Ich ging wieder ins Bad und machte den Schrank über dem Waschbecken auf. Dann pfefferte ich alles, was darin war, gegen die Tür, mit so viel Wucht wie möglich. Ein Fläschchen mit Desinfektionsmittel zerbrach, der Inhalt floss heraus und verbreitete einen stechenden Geruch. Auf der andern Seite der Tür liefst du auf und ab.
    »Nicht, Gemma«, sagtest du. »Wir brauchen die Sachen noch.«
    Ich schrie um Hilfe, bis meine Kehle brannte. Auch wenn es vollkommen sinnlos war. Am Ende wurde aus meinen Worten ein sinnloses Gebrüll, das nur dazu gut war, dich zu übertönen.
    Ich knallte meine Arme wie verrückt gegen die Tür, so dass sie bald voller blauer Flecke waren und ich mir an den Gelenken die Haut aufschürfte. Ich war verzweifelt. Jeden Moment konntest du mit einem Messer, einer Pistole oder Schlimmerem hier hereinkommen. Ich suchte nach irgendetwas, womit ich mich wehren konnte, und packte eine Scherbe des zerbrochenen Fläschchens.
    Die Tür ruckte, als du dich dagegen lehntest. »Jetzt beruhig dich doch«, sagtest du mit wackliger Stimme. »Das bringt alles nichts.«
    Dann hocktest du dich gegenüber vom Bad in den Gang. Das wusste ich, weil ich im Spalt unter der Tür deine Schuhe sehen konnte. Ich stützte mich an der Wand ab und roch das Desinfektionsmittel und den scharfen Gestank von Pisse in meinen Jeans. Nach einer Weile hörte ich ein leises Klicken, als du den Schlüssel aus dem Schlüsselloch nahmst.
    »Lass mich zufrieden«, kreischte ich.
    »Geht nicht.«
    »Bitte.«
    »Nein.«
    »Was willst du?« Inzwischen schluchzte ich und lag zusammengekrümmt am Boden. Ich tupfte mir das Blut von den Füßen, betastete die Kratzer und Wunden meiner Flucht über den Sand.
    Ich hörte, wie du mit der Hand, vielleicht auch mit dem Kopf, gegen die Badezimmertür schlugst. Ich hörte auch, wie schwer dein Atem ging.
    »Ich bring dich nicht um«, sagtest du. »Das mach ich nicht, okay?«
    Aber davon wurde meine Kehle nur noch trockener. Ich glaubte dir nicht.
    Danach warst du lange ruhig und ich fragte mich schon, ob du fortgegangen wärst. Deine Stimme zu hören wäre mir fast lieber gewesen als diese Stille. Ich umklammerte die Glasscherbe so fest, dass sie mir in die Handfläche schnitt. Dann hielt ich sie in das Licht, das durch einen Spalt in der Wand fiel. Im Glas leuchteten Regenbogen auf. Ich drehte die Scherbe so, dass ein Regenbogen über meine Hand tanzte. Mit dem Finger drückte ich fest auf die Kante, bis ein kleiner Tropfen Blut erschien.
    Ich hielt die Scherbe über mein linkes Handgelenk und fragte mich, ob ich mich wohl wirklich dazu überwinden konnte, dann senkte ich sie langsam. Ich schnitt mir in die Haut, quer übers Gelenk. Blut begann herauszusickern. Es tat nicht weh. Meine Arme waren betäubt vom Hämmern gegen die Tür. Es war nicht sonderlich viel Blut. Ich keuchte, als zwei Tropfen zu Boden fielen, und konnte kaum fassen, was ich da getan hatte. Du hast später behauptet, diese Aktion hätte mit den Nachwirkungen der Drogen zu tun gehabt, aber ich weiß nicht, ob das stimmt. In diesen Moment fühlte ich mich zu allem entschlossen. Kann gut sein, dass ich mich wirklich lieber selbst umbringen wollte, als darauf zu warten,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher