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Monster (German Edition)

Monster (German Edition)

Titel: Monster (German Edition)
Autoren: Benjamin Maack
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Viel schlimmer als die dunklen Räume sind die spiegelnden Fenster
    1
    Es ist plötzlich da. Wie hineingestürzt ins Licht und auf die Straße. Das Ding. Der Mensch oder das Tier im Scheinwerferlicht. Zu schnell, um zu erkennen, was es ist. Plötzlich ist da was auf der Straße. Plötzlich ist es ein Geräusch unter dem Wagen, ein Schleifen oder Kratzen. Ein Scharren. Ein roter Schemen im Rücklicht.
    Tier. Bitte.
    Sich darauf vorbereiten, getötet zu werden, wie man in dunklen Wäldern getötet wird, wenn man aus Autos steigt. Die Tür öffnen. Aussteigen.
    Tier, Tier, Tier.
    Bitte, bitte, bitte.
    Im Schein der Rücklichter liegt die Gestalt unter einer Decke aus Rot und Schwarz. Viel kleiner, als sie sich unter dem Auto angefühlt hat. Eine Form, irgendwie oval, ein Tier, ein Vogel. Ja, nur ein dummer Vogel. Eine Eule.
    Den Körper umfassen. Ja, es ist eine Eule. Das ist gut. Eine gute Sache. Eine gute Eule.
    Da ist eine Kälte wie Nacht im Gefieder, aber darunter fühlt sie sich warm an. Mit beiden Daumen durch den Flaum auf der Brust streichen. Ganz weiche Federn. Daunen. Die Eule vom Asphalt nehmen. Eine schwere Eule. Sie mit ausgestreckten Armen vor das Gesicht heben wie einen Säugling. Angeschaut werden von zwei trüben Murmeln. Den Wind hören. Ungewöhnlichen Wind, irgendwie wild. Oder wütend. Wind, der den Wald und seine Wesen beschützt. Wind, der heranrauscht, um einen Mörder zu bestrafen.
    Du willst ins Auto. Du musst ins Auto. Nur schnell einsteigen. Bevor der Wind kommt. Die Eule auf dem Beifahrersitz anschnallen und mit ihr verschwinden. Die Eule ins Auto. Die Beifahrertür öffnen, die Eule auf dem Arm. Die Eule ins Auto. Die Eule ins Auto. Nachdenken. Nachdenken, nachdenken, nachdenken. Zum Kofferraum. Den Deckel öffnen. Den Vogel neben die schwarze Reisetasche. Den Deckel luftdicht zuknallen lassen.
    Benjamin springt ins Auto und drückt den Knopf für die Zentralverriegelung.
    Jetzt hast du eine Eule, denkt er. Neben deiner Reisetasche im Kofferraum ist jetzt eine Eule.
     
    Kathrin hat den großen Hammer aus der Werkstatt ihres Vaters geholt. Breitbeinig steht Benjamin in dem alten Hühnerkäfig, einem Holzgerippe mit Kaninchendrahtverschlag und Wellblechdach. Er schlägt auf eine alte Autobatterie ein. Das blinde Plastik lässt das Werkzeug zurückfedern. Er holt wieder und wieder aus.
    Dum, dum, dum.
    Dumpfe Schläge auf den schmutzigen Block.
    Spielt egal wo, hat Kathrins Vater gesagt, aber nicht in dem alten Hühnerkäfig. Da habe ich überall Rattengift ausgelegt, in den Brettern stecken rostige Nägel, die euer Blut verseuchen. Und Finger weg von den Autobatterien, in denen ist Säure, die ätzt euch alles weg.
    Der Junge mit dem Hammer schwitzt, er atmet mit offenem Mund. Er schlägt auf die Batterie ein, weil er und das Mädchen Säure besitzen wollen. Kathrin steht ein bisschen abseits, viel zu große, sehr gelbe Geschirrspülhandschuhe an ihren Kinderhänden, um später alles genau zu untersuchen. In einer Hand hält sie eine leere Coladose. Um die Säure abzufüllen, wenn die Batterie geknackt ist. Kathrins Hemd mit dem Vogelmuster hängt unordentlich aus ihrer roten Kordlatzhose. Sie hat die Ärmel hochgekrempelt, als würde sie die ganze Arbeit machen. Bei jedem Schlag verzieht sich ihr Gesicht, als hätte sie den Hammer in der Hand.
    Das Plastik knackt.
    Auf der Batterie öffnet sich ein langer Spalt.
    Benjamin lässt den Hammer fallen und fasst sich ins Gesicht.
    Dann schreit er.
    »Mir ist was in den Mund gespritzt! Auf meine Zunge!«
    Kathrin muss nicht lange überlegen. Muss sie nie.
    »Säure. Das muss die Säure sein. Nicht schlucken. Spuck aus. Nein, halt! Spuck nicht aus.« Kathrin schreit auch. Weil alles Lärm ist in diesem Moment.
    »Lass den Mund auf. Streck die Zunge raus. Merkst du schon was? Nein, nicht reden. Komm mit.«
    Benjamin schreit, Kathrin packt ihn am Arm, schleppt den weinenden Jungen hinter sich her zu dem anderen Lärm vor dem Haus. Dort mäht ihr Vater den Rasen.
    »Papa! Benjamin hat Batteriesäure auf der Zunge«, schreit sie, legt ihren ganzen Atem in den Schrei.
    Der Rasenmäher geht aus.
    »Was ist los?«
    »Wir wollten Säure haben. Dafür mussten wir doch den Hammer nehmen. Wir wollten ihn aber gleich danach zurückbringen. Dann hat Benjamin die Säure auf die Zunge gekriegt. Wir sind aber gleich hergekommen. Ehrlich.«
    »Ich habe euch doch gesagt, dass im Schuppen nicht gespielt wird.«
    »Muss er jetzt sterben?«
    »Wo ist es denn
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