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Ich wuenschte, ich koennte dich hassen

Ich wuenschte, ich koennte dich hassen

Titel: Ich wuenschte, ich koennte dich hassen
Autoren: Lucy Christopher
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Fünf Türen gingen von ihm ab, zwei links vom Gang, zwei rechts und eine ganz am Ende. Alle fünf waren geschlossen. Der Boden knarrte, als ich den ersten Schritt tat. Stocksteif blieb ich stehen. Aber hinter den anderen Türen regte sich nichts und ich hatte auch sonst nicht das Gefühl, dass mich irgendwer gehört hatte. Also machte ich noch einen Schritt. Welche Tür führte nach draußen, wo war mein Fluchtweg?
    Ich blieb bei der rechten Tür stehen und umfasste die kühle Metallklinke. Dann drückte ich sie nach unten und hielt kurz die Luft an, bevor ich die Tür zu mir zog. Du warst nicht in dem Zimmer. Es war ein schattiger grauer Raum mit einem Waschbecken und einer Dusche. Ein Badezimmer. Hinten gab es noch eine Tür. Vielleicht war dort das Klo. Einen Moment lang überlegte ich, ob ich es riskieren sollte, schnell pinkeln zu gehen. Ich musste echt dringend. Aber wie oft bekam ich eine Chance wie diese? Vielleicht hatte ich nur die eine. Ich ging wieder zurück in den Flur. Zur Not konnte ich es auch einfach die Beine runterlaufen lassen. Oder irgendwo draußen gehen. Ich musste einfach weg von hier. Wenn ich das hinkriegte, kam auch alles andere in Ordnung. Ich würde auf irgendwen stoßen, der mir half. Ich würde einen Ort finden, zu dem ich hinkönnte.
    Ich hörte dich immer noch nicht. Mit den Händen stützte ich mich an der Wand ab und bewegte mich zur Tür am Ende des Gangs. Ein Schritt, dann noch einer. Meine Handflächen glitten über das Holz, Splitter gruben sich in meine Finger. Mein Atem ging schnell und laut, ich klang wie ein hechelnder Hund. Forschend sah ich mich um, versuchte rauszukriegen, wo ich war. Schweiß lief mir vom Kopf in den Nacken und den Rücken runter bis in die Jeans. Das Letzte, woran ich mich deutlich erinnerte, war der Flughafen in Bangkok. Aber danach war ich noch mal in einem Flugzeug gewesen, oder? Und dann in einem Auto? Vielleicht hatte ich das alles aber auch nur geträumt. Und wo waren meine Eltern?
    Ich konzentrierte mich darauf, kleine, leise Schritte zu machen. Ich war kurz davor, in Panik auszubrechen und loszubrüllen. Aber ich musste die Kontrolle behalten, so viel war klar. Wenn ich anfing zu grübeln, wo ich war und was mir passiert sein mochte, bekäme ich so furchtbare Angst, dass ich mich nicht mehr rühren könnte.
    Die Tür ganz hinten ließ sich leicht öffnen. Sie führte in ein großes, spärlich beleuchtetes Zimmer. Ich duckte mich zurück in den Gang und bereitete mich darauf vor, sofort loszurennen. Mein Magen drehte sich um und der Druck in meiner Blase wurde unerträglich. Aber es bewegte sich nichts in dem Raum. Es war auch nichts zu hören. Du warst nicht dort, das war mir nach einem kurzen Blick klar. Ich erkannte ein Sofa und drei Holzstühle; roh zusammengezimmert und total schlicht, genau wie die im Schlafraum. Es gab eine Nische, die entfernt wie ein offener Kamin aussah. Die Wände waren aus Holz. Auch hier hingen Vorhänge vor den Fenstern, daher war der Raum in ein düsteres bräunliches Licht getaucht. Nirgends stand Krimskrams herum und es hingen auch keine Bilder an den Wänden. Dieses Zimmer hier war genauso nüchtern wie der Rest vom Haus. Und die Luft war genauso schwer und stickig, sie lastete wie ein Mantel auf mir.
    Auf der linken Seite vom Gang lag eine Küche, mit einem Tisch in der Mitte und Schränken ringsum. Auch hier waren die Vorhänge zugezogen, doch es gab noch eine Tür auf der andern Seite, durch deren Milchglasfenster grelles Licht drang. Der Weg nach draußen. Freiheit. Ich schob mich an der Wand entlang auf die Tür zu. Der Schmerz in meiner Blase wurde noch schlimmer, meine Jeans schien immer enger zu werden. Aber ich schaffte es bis zur Tür. Ich berührte die Klinke und drückte sie langsam nach unten, obwohl ich ganz sicher war, dass die Tür abgeschlossen sein würde. Aber das war sie nicht. Ich schluckte vor Überraschung. Auf einmal war ich hellwach und zog die Tür zu mir. Ich öffnete sie nur so weit, dass ich durchschlüpfen konnte. Und dann trat ich hinaus ins Freie.
    Das grelle Sonnenlicht erwischte mich sofort. Alles war hell, unerträglich hell. Und heiß. Noch viel heißer als drinnen. Von einem Moment auf den andern war mein Mund komplett ausgetrocknet. An den Türrahmen gelehnt kämpfte ich um den nächsten Atemzug. Ich hielt die Hand schützend über die Augen und versuchte, mein Blinzeln unter Kontrolle zu kriegen. Das viele Weiß überall machte mich fast blind. Es war, als hätte ich
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