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Ich wuenschte, ich koennte dich hassen

Ich wuenschte, ich koennte dich hassen

Titel: Ich wuenschte, ich koennte dich hassen
Autoren: Lucy Christopher
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die Tür nach draußen aufmachtest. Hier war eine Veranda, die sich am ganzen Haus entlangzog. Ich humpelte zu einem Rattansofa und ließ mich hineinfallen. Dort nahm ich meinen Fuß und rieb die wunde rote Stelle, die der Nagel hinterlassen hatte.
    Als ich aufblickte, sah ich die Felsblöcke. Sie waren riesig und rund, mit einer geschmeidigen Oberfläche. Sie lagen etwa fünfzig Meter von uns entfernt und erstreckten sich über eine Breite, die schätzungsweise doppelt so groß war wie das Haus. Sie kamen mir vor wie eine Handvoll Murmeln, die ein Riese vom Mond fallen gelassen hatte. Auf der uns zugewandten Seite gab es zwei größere Felsen, die von kleineren eng umringt waren. Dünne, stachlige Bäume wuchsen in der Mitte und um die Felsen herum.
    Ich saß da und starrte sie an. Diese Felsen waren so ganz und gar anders als der Rest der Landschaft, sie ragten aus dem Boden hoch wie Daumen. Es war schon später Nachmittag und nach einer Weile wurde mir klar, warum die Felsen rot waren. Die tief stehende Sonne tauchte ihre körnige Oberfläche in ein rubinfarbenes Licht.
    »The Separates«, sagtest du. »So habe ich sie genannt. Sie sehen anders aus … irgendwie … abgetrennt von allem, was es sonst gibt, zumindest hier in der Gegend. Jeder von ihnen steht für sich allein, aber zumindest das haben sie gemeinsam.«
    Du standst neben dem Sofa. Ich rückte von dir weg und du zerrtest so lange am Rahmengeflecht herum, bis sich eine der Fasern löste.
    »Wieso hab ich die nicht gesehen?«, fragte ich. »Als ich weggerannt bin?«
    »Du hast nicht hingesehen.« Du hast das Sofa in Ruhe gelassen und stattdessen mich angesehen. Als ich deinen Blick nicht erwiderte, bewegtest du dich zu einem der Verandapfeiler hin. »Du warst viel zu durchgedreht, um irgendwas richtig wahrzunehmen.«
    Ich ließ meinen Blick über die Felsen schweifen, auf der Suche nach Wegen, nach etwas, das von Menschenhand gemacht war. Ich entdeckte eine Rohrleitung aus Plastik, die zwischen den Felsen heraustrat und bis zum Haus führte. Sie verschwand unter der Veranda, hinten am anderen Ende, dort, wo das Bad lag. Dann gab es noch ein paar Zaunpfosten aus Holz, die in gleichmäßigem Abstand um die Felsen herum aufgestellt waren.
    »Was ist dahinter?«, fragte ich.
    »Nicht viel. Das Gleiche wie hier auf der Seite.« Du zeigtest mit dem Kinn auf die staubige Erde überall ums Haus herum. »Ist jedenfalls kein Fluchtweg für dich, falls du daran denkst. Wenn du hier wegwillst, geht das nur über mich. Und das ist Pech für dich, denn meine Flucht hat mich ja genau hierhergeführt.«
    »Was ist das für ein Rohr?«, fragte ich. Wenn eine Rohrleitung zu deinem Haus führte, musste es hinter den Felsen doch noch mehr Rohre und Häuser geben, überlegte ich.
    »Das hab ich gelegt. Damit wir Wasser haben.«
    Du hast gegrinst, als wärst du stolz, und in deiner Hemdtasche nach irgendwas herumgekramt. Dann langtest du in deine Hosentasche und holtest ein kleines Bündel getrockneter Blätter und Zigarettenpapier heraus. Ich musterte alle deine Taschen. Gab es irgendwo Ausbuchtungen oder Beulen? Hattest du die Autoschlüssel dort verstaut? Du drehtest dir eine lange, dünne Zigarette und lecktest das Papier an.
    »Wo sind wir?«, fragte ich wieder.
    »Überall und nirgends.« Du legtest den Kopf gegen den Pfeiler und schautest rüber zu den Felsen. »Ich habe diesen Ort hier irgendwann entdeckt. Er gehört mir.« Du beäugtest nachdenklich deine Zigarette. »Ist schon lange her. Da war ich noch klein, vielleicht halb so groß wie du jetzt.«
    Ich warf dir einen Blick zu. »Wie bist du hergekommen?«
    »Gelaufen. Hat eine Woche gedauert oder so. Als ich hier war, bin ich zusammengeklappt.«
    »Wer war bei dir?«
    »Niemand. Die Felsen haben mir Träume geschickt … und sie haben mir natürlich Wasser gegeben. Dieser Ort ist was Besonderes. Ich bin ungefähr zwei Wochen lang hiergeblieben, mein Lager war in ihrer Mitte und ich habe von den Felsen gelebt. Als ich wieder heimkam, hatte sich alles verändert.«
    Ich drehte mich weg, wollte über dich und dein Leben nichts wissen. Hoch über uns kreiste ein Vogel, vor dem bleichen Himmel sah sein Umriss wie ein winziges X aus. Ich kauerte mich zusammen, schlang die Arme um die Knie und zog sie immer dichter an mich heran, um die Panik zu unterdrücken, die in mir aufstieg und sich in einem Schrei Luft machen wollte.
    »Warum bin ich hier?«, flüsterte ich.
    Du klopftest dir auf die Taschen und zogst eine
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