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Das Echo der Vergangenheit

Das Echo der Vergangenheit

Titel: Das Echo der Vergangenheit
Autoren: Kristen Heitzmann
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Kapitel 1
    Das Wimmern war kaum mehr als ein Laut der Sehnsucht – oder Angst – aus der Kehle eines Kindes. Sofie reagierte sofort, jeder Nerv war angespannt. Aber als sie die Augen öffnete, war da keine warme, feuchte Wange, keine winzige Stirn, die von nächtlichen Sorgen in Falten gelegt war. Sie sank zurück, als der Kummer, der ihr bis ins Mark ging, seinen vertrauten Platz fand.
    Ihre Handgelenke brannten von der Erinnerung. Das nasse Laken wog auf ihrer Brust wie Wasser, das sie herunterdrückte und ihr bis ans Kinn reichte, und ihre Verzweiflung war so groß, dass sie sich nicht dagegen wehren konnte. Chi ha dato ha dato . Was getan ist, ist getan. Sie konnte die Uhr nicht zurückdrehen oder irgendetwas von dem, was geschehen war, ändern.
    Sie stand auf und ging ins Bad. Der Wasserhahn gab seltsame Geräusche von sich; das Rohr klopfte. Wasser kam herausgestottert und floss in einem rostig riechenden Strahl in die Wanne. Wieder drangen die Erinnerungen wie spitze Pfeile auf sie ein, als sie über den Badewannenrand kletterte und das rötlich gefärbte Wasser ihre Füße umspielte. Entschlossen drehte sie sich um und dann vertrieben die brennend heißen Wasserspritzer die Erinnerungen.
    Als sie sich die Haare getrocknet hatte, band sie sie zu einem Pferdeschwanz zusammen und zog eine graue Kaschmirjacke und eine anthrazitfarbene Stoffhose an. Einen schwarzen Kamelhaarmantel dazu und einen Schal in türkis-blau. Ihre schwarzen Chenille-Handschuhe glitten am Geländer des Treppenhauses herunter und sie trat auf die Straße hinaus, in der ihre Familie seit drei Generationen wohnte. Belmont. Little Italy in der Bronx. Jeder Laden, jeder Bordstein war ihr vertraut; jedes Gesicht wusste zu viel. Ein Segen und eine Last.
    Vor ihrem Mund bildete sich eine Atemwolke und der brüchige Frost knirschte unter ihren Schuhen. Der beißende Januarwind tat in der Nase weh. Aber sie hatte es nicht weit, nur um die Ecke und zwei Häuserblocks weiter. Fröstelnd stieg sie die Stufen zu der Kirche hinauf und schlüpfte durch die riesigen Türen in das Gebäude hinein, das nach Putzmitteln und Gebeten roch.
    Die Stricke um ihre Brust lockerten sich. Ihre gedämpften Schritte trugen sie die Hälfte des Mittelganges entlang, wo sie zwischen den donne anziane in ihren schwarzen Tüchern und dicken Strümpfen niederkniete.
    Mariana Dimino schob sich langsam, Bank für Bank, zu der Stelle vor, an der Sofie kniete. Sie blieb stehen und ihre Augen waren einladend. » Finchè c’è vita c’è speranza «, murmelte sie.
    Wo Leben ist, da ist Hoffnung. Sofie ließ die Worte sacken, dankbar für das Geschenk. Hoffnung war kostbar und durfte weder gehortet noch leichtfertig verschleudert werden. Das Gleiche galt für das Leben.
    Der Gedanke hallte in ihrem Herzen wider, als sie zum Wohnhaus ihrer Eltern zurückging und jedes Detail ihrer Umgebung, ihres Kokons wahrnahm. Sie spürte ein neues Gefühl in sich aufsteigen. Es war Zeit für eine Veränderung. Sie würde gleich zu Mama gehen und – ihr Handy klingelte.
    Rasch drückte sie auf die Gesprächstaste, aber niemand war am anderen Ende zu hören. Wer immer diese Anrufe tätigte, wartete, bis sie dranging, und blieb dann so lange in der Leitung, wie sie es tat, ohne jemals ein Wort zu sagen. Kein Atmen und keine Drohungen, aber das Schweigen beunruhigte sie noch mehr.
    Die Nummer war unterdrückt, also konnte sie die Anrufe nicht erwidern. Wer konnte das sein? Jemand, den sie beraten hatte? Keinem ihrer Klienten hatte sie ihre private Nummer gegeben, sondern sie war nur über die Hotline erreichbar. Wenn jemand sich die Mühe gemacht und ihre Telefonnummer herausgefunden hatte, warum sagte er dann nicht, was er wollte?
    »Ich weiß nicht, was Sie damit bezwecken. Wenn Sie etwas brauchen, sagen Sie es.«
    Immer noch nichts.
    »Wenn Sie es mir nicht sagen, kann ich Ihnen nicht helfen.« Sie legte auf und sah sich um. Sie hatte das merkwürdige Gefühl, beobachtet zu werden. Ihre Sehnen spannten sich an, obwohl sie den Verdacht hatte, dass es nur ein Schatten aus ihrer Vergangenheit war.
    Schließlich trat sie ins Treppenhaus und schob sich an Fahrrädern mit Stützrädern, Basketbällen, Skateboards, Schneeschuhen und anderen Kindersachen vorbei. Es gab viele Kinder in diesem Haus und sie war ihre Lieblingstante, die keine eigenen Kinder hatte, von denen sie hätte abgelenkt werden können. Oben weinte Nicky und ihre Schwester Monica brüllte Bobby an, er solle den Kleinen beruhigen,
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