Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hoellenfeuer

Hoellenfeuer

Titel: Hoellenfeuer
Autoren: Peter Conrad
Vom Netzwerk:
Mädchen liefen lachend aufeinander zu. Bess und Eleanor fielen sich in die Arme, während Michael ihnen freudestrahlend zusah. Er hatte sich nicht von der Stelle gerührt.
    „Verdammt, Ellie. Was hattest du im Keller zu suchen?“, grinste Bess. „Meine Mom hat mich heute Mittag extra angerufen und von deiner Rettung erzählt.“
    „Hör bloß von dieser Sache auf “, druckste Eleanor verlegen herum. Ihr war unwohl bei dem Gedanken, ihre Freundin anlügen zu müssen, doch sie wusste sehr wohl, dass ihr keine andere Möglichkeit blieb. Sie würde das wieder gutmachen müssen, aber in diesem Augenblick zählte allein, dass zwischen ihnen beiden alles beim Alten geblieben war und Bess trotz Eleanors merkwürdigen Verhaltens noch immer an ihre Freundschaft glaubte.
    „Ich habe wirklich Angst um dich gehabt “, sagte Bess und ihr Gesicht wurde plötzlich ernst. „Ich habe mir tausend Gründe dafür ausgedacht, warum du Stratton Hall verlassen haben könntest. Und jetzt stellt sich heraus, dass keiner davon etwas mit der Wahrheit zu tun hatte. Wir haben wirklich alle gedacht, dass du irgendwohin getürmt seist. Die Polizei hat Straßensperren in der Gegend errichtet…“
    Eleanor lief vor Scham rot an. „Um Himmels Willen, Bess “, stöhnte sie. „Ich glaube, ich will fürs Erste nicht mehr an die letzten Tage erinnert werden.“
    Bess lächelte gequält und nickte. „Ist gut. Ich werde nichts mehr dazu sagen. Immerhin warst du nicht allein da unten.“
    „Ohne Raphael wäre ich in den letzten Tagen sicher wahnsinnig geworden, so viel ist sicher“, gab Eleanor zu. Dann blickte sie zu Michael hinüber, der sie beide aus einiger Entfernung still beobachtete. Zaghaft lächelte sie ihn an.
    Michael setzte sich daraufhin zögernd in Bewegung und kam auf sie zu. Er blieb etwas steif vor Eleanor stehen und nickte ihr linkisch zu.
    „Gut, dass du wieder unter den Lebenden weilst “, sagte er unbeholfen. Eleanor war sich sicher, dass er sich in diesem Augenblick innerlich für diese Worte ohrfeigte. Sie lächelte ihn unsicher an und wurde wieder rot. Ihr Verhältnis zu ihm würde zweifellos schwierig werden.

Anhang
     
    Einige Tage später suchten Eleanor und Raphael den Hügel im Wald auf , der einst eine Burg getragen hatte und in dessen Tiefen der Geist William Foltridges hauste. Es schien Eleanor Jahre her zu sein, dass sie gemeinsam hier gewesen waren und Eleanor Zeuge der Angst dieses ruhelosen Geistes geworden war. Doch sie hatte Raphael darum gebeten, mit ihr noch einmal an diesen Ort zu gehen, denn es war ihr wichtig, für William das gleiche zu tun wie für Elizabeth. Auch er sollte in seiner Einsamkeit eine Freundin haben, auf die er zählen konnte und der sein Schicksal nicht gleichgültig war. Jemanden, der sein Leid zu sehen imstande war.
    Als sie Raphael darauf ansprach, hatte er nur gelächelt und nichts weiter dazu gesagt. Er hatte nur genickt und ihr versprochen, am folgenden Tag mit ihr an diesen Ort zu gehen. Und nun standen sie hier. Die helle Mittagssonne schien auf die gewaltigen, grauen Felsen, die den Eingang zum Verlies markierten, Insekten summten durch die Luft und ein Eichelhäher ließ seinen Ruf durch den Wald erschallen. Eidechsen sonnten sich auf den zerborstenen Steinen der ehemaligen Burg und in diesem Augenblick wirkte alles hier so friedlich und wunderschön, dass es Eleanor kaum vorstellbar schien, dass nur wenige Schritte von hier entfernt eine gequälte Seele in ewiger Verdammnis lebte. Die Schönheit von Gottes Schöpfung ging hier eng einher mit der Grausamkeit, zu der sie ebenfalls fähig war.
    Eleanor und Raphael betraten den engen Tunnel, der zu Williams Aufenthaltsort führte. Gleich darauf standen sie in der kleinen Kammer mit dem mächtigen Mittelpfeiler, an den Eleanor sich nur allzu gut erinnerte. Doch heute war etwas anders, als bei ihrem letzten Besuch.
    „Ich spüre seine Angst nicht “, flüsterte Eleanor und ihre leise Stimme hallte von den Wänden wieder.
    „Er ist nicht mehr hier “, erwiderte Raphael schlicht.
    Eleanor sah in überrascht an. Sie konnte seine Züge hier im Zwielicht nur undeutlich erkennen, doch sie war sich sicher, dass er nicht scherzte.
    „Wie kann das sein?“, fragte sie verwirrt. „Er muss doch hier sein. Er kann doch nirgendwo sonst hin.“
    „Du hast ihn gehen lassen “, sagte Raphael ernst. „Er wurde nur durch seine eigenen Schuldgefühle hier gehalten. Aber als du sagtest, dass du für ihn beten würdest, erkannte er,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher