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Hoellenfeuer

Hoellenfeuer

Titel: Hoellenfeuer
Autoren: Peter Conrad
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als sie ohnmächtig wurde, wusste Raphael nicht zu sagen. Doch zurück in Stratton Hall hatte Raphael vor dem Problem gestanden, nun irgendjemanden auf den Keller aufmerksam machen zu müssen, in dem Eleanor und er auf ihre vermeintliche Rettung warteten. Schon auf dem Flug nach Cornwall hatte er darüber nachgedacht, einfach die Kellertür von innen aufzubrechen und später zu behaupten, dies wäre ihm aus eigener Kraft gelungen. Allerdings hätte dies nach mehr als einer Woche ohne ausreichendes Essen in einem Keller nicht sehr glaubwürdig geklungen, zumal die betreffende Tür aus Stahl war.
    Dann jedoch hatte sich das Problem ganz von allein gelöst. Bei ihrem nächtlichen Eintreffen hatte er am Fuße des Treppenhauses unmittelbar vor der Kellertür Elizabeth getroffen. Elizabeth hatte beim Anblick der ohnmächtigen Eleanor eine solche Angst um ihre einzige Freundin bekommen, dass die Temperatur im Treppenhaus schlagartig um mehrere Grad gefallen war. Selbst ein Mensch ohne hellsichtige Veranlagungen hatte das spüren können. Und so war gleich am Morgen nach ihrer Ankunft ein Handwerker auf die Kellertür aufmerksam geworden, vor der in Wahrheit der besorgte Geist Elizabeths hockte und in Sorge um das Leben Eleanors verging.
    Und nun stiegen Eleanor und Raphael gemeinsam die Stufen des Treppenhauses hinab , zu dem Ort, wo Elizabeths Geist gefangen war und auf den Tag des Jüngsten Gerichts wartete.
    „Elizabeth? Bist du hier?“, fragte Eleanor leise. Es war noch zu hell, als dass sie die Aura des toten Mädchens hätte sehen können.
    „Ich bin hier “, erklang die erleichterte Stimme Elizabeths wie aus weiter Ferne. „Geht es dir wieder gut?“
    Eleanor nickt. „Ja. Ich bin noch ein wenig zittrig, aber es ist schon viel besser.“
    „Das ist gut. Ich habe so große Angst um dich gehabt, aber der Engel sagte mir, dass du nur geschwächt seist und es dir bald wieder besser gehen würde.“
    Eleanor lächelte. „Sag, Elizabeth, würde es dir ein wenig helfen, wenn ich dich öfter besuchen würde? Ich will nicht, dass du dich allein fühlst, denn ich weiß nur zu gut, wie schlecht man sich dabei fühlt.“
    Für einen kurzen Augenblick wurde die eisige Kälte aus Elizabeths Ecke durch eine Welle des Glücks und der Freude unterbrochen, die zu Eleanor hinüberschwappte.
    „Das würdest du für mich tun?“, erklang Elizabeths Stimme kläglich.
    Eleanor nickte.
    „Natürlich. Weißt du, Elizabeth, ich habe keine Ahnung, wie wir Asasel dazu zwingen können, deine Seele loszulassen. Aber zumindest kann ich dafür sorgen, dass dein Leben nicht mehr ganz so einsam ist.“
    Ein fernes Schluchzen erklang. Unbewusst streckte Eleanor die Arme aus. In diesem Augenblick hätte sie Elizabeth am liebsten in die Arme genommen und fest an sich gedrückt.
    „Ich komme heute Nacht wieder, ist dir das recht?“, fragte sie unbeholfen.
    „Ja… ja… das wäre wunderbar “, stammelte Elizabeth.
    Eleanor lächelte in die Richtung, aus der sie Elizabeths Stimme zu hören glaubte. Dann winkte sie noch einmal und wandte sich um. Raphael stand hinter ihr und lächelte auf sie hinab. Der große, starke Raphael, der nur ihretwegen hier geblieben war. Eleanor fiel in seine Arme und drückte ihn fest an sich.
    „Gut, dass du hier bist“, murmelte sie glücklich, während sie seinen wunderbaren Duft einsog.
    „Immer gern zu Diensten “, grinste Raphael.
     
    An diesem Abend saß Eleanor allein auf den Stufen des Haupteingangs von Stratton Hall. Sie hatte Raphael um diesen Augenblick für sich allein gebeten, denn es gab etwas zu tun, das schwer auf ihr lastete und das durch ihn nicht leichter werden würde.
    Die Sonne stand bereits tief am Himmel und färbte den Horizont in ein sanftes Rot, während die Wolken zu glühen schienen und in breiten Streifen über den Himmel zogen. Einige letzte Vögel sangen ihr Abendlied und der schwere Duft gemähten Grases hing in der Luft.
    Eleanor sah den kleinen Ford von Schwester Veronica auf dem Parkplatz des Sanatoriums stehen . In einigen Minuten würde Bess‘ und Michaels Mom hinter ihr aus dem Hauptgebäude kommen und für heute nach Hause fahren. Eleanor wartete geduldig, bis sie endlich die ersehnte Bewegung am Eingangstor des Parks wahrnahm. Dort kamen Bess und Michael auf sie zu.
    Bess blieb abrupt stehen, als sie Eleanor auf der Treppe sitzen sah. Auch Michael blieb irritiert stehen, als seine Schwester zurückblieb. Dann jedoch sprang Eleanor plötzlich auf und die beiden
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