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Himmel ueber fremdem Land

Himmel ueber fremdem Land

Titel: Himmel ueber fremdem Land
Autoren: Elisabeth Buechle
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Kameraden mit der Stiefelspitze an. »Was hältst du davon, wenn wir uns wieder um die süßen Mädchen kümmern?«
    »Ich habe nicht den Eindruck, dass die uns vermissen.«
    »Ja, ja, aus den Augen, aus dem Sinn«, kicherte Hannes und schob sich auf die Knie. »Komm schon. Sobald sie dein Antlitz wieder erblicken, wird ihnen schmerzlich bewusst werden, was sie in den letzten paar Minuten versäumt haben.«
    »Wenn du meinst«, erwiderte Philippe und klang zu Hannes’ Erstaunen reichlich desinteressiert. Dabei war Philippe in ganz Berlin als Frauenheld verschrien und die Väter, die etwas auf die Ehre ihrer Töchter hielten – und das mussten in Preußen fast alle sein, zumindest in Hannes’ Bekanntenkreis –, schlossen die jungen Damen inzwischen weg, wenn Philippe in der Stadt war. So jedenfalls war es Hannes zu Ohren gekommen.
    Behände sprang Philippe auf, strich sich die Uniformjacke glatt und zog Hannes auf die Beine. Einen Moment lang drehte sich alles vor seinen Augen, doch dieser leidige Zustand legte sich rasch. Schon bevor er seinen Stuhl wieder aufgestellt hatte, saß eine adrette Brünette auf Philippes Schoß und bedeckte unter gedämpftem Kichern sein sicher unangenehm kratziges Gesicht mit federleichten Küssen.
    Hannes strahlte, als sich zwei Mädchen links und rechts an ihn lehnten und ihn mit ihrer Aufmerksamkeit bedachten, wobei ihn die qualmende Zigarette in der Hand der ansehnlichen Schwarzhaarigen empfindlich störte. Der prickelnde, ja nahezu erhebende Zustand, gleich von zwei Frauen umgarnt zu werden, dauerte jedoch nur so lange an, bis die Tür des winzigen Gastraums so fest gegen die Innenwand knallte, dass die unzähligen leeren und halb gefüllten Gläser auf den Tischen klirrend aneinanderstießen.
    In der Tür baute sich ein vierschrötiger Kerl um die vierzig auf, der aufgrund seiner Oberarme als ein körperlich schwer arbeitender Mann zu erkennen war. Schneller noch, als Hannes in seinem leicht benebelten Zustand überhaupt begriff, was da vor sich ging, hatte Philippe die glimmende Zigarette, die die Schwarzhaarige reaktionsschnell unter den Tisch geworfen hatte, ausgetreten. Gleich darauf zerrte Philippe ihn vom Stuhl und stieß ihn in Richtung der Hintertür zum Treppenhaus. Er drückte ihm den Schlüssel für ihr Zimmer in die Hand und raunte: »Verschwinde nach oben!«
    »Aber …«
    »Verschwinde, Kadett!«
    Hannes gehorchte, und erst als er die Tür hinter sich zuschlug, wurde ihm bewusst, dass Philippe sich einmal mehr schützend vor ihn stellte. Der Eindringling, vermutlich der aufgebrachte Vater der Schwarzhaarigen, sah aus wie ein Schwergewichts-Profiboxer. Hannes’ nächste Überlegung war, ob Philippe gezielt den Tisch direkt vor dem Treppenhaus gewählt hatte, da ihm Situationen wie diese geläufig waren.
    Wütende und erschrockene Stimmen mischten sich mit dem Scharren von Stühlen über den Linoleumboden, dem folgten ein dumpfer Schlag und das Klirren von Glas, als habe jemand den Tisch umgeworfen.
    Noch einmal überlegte Hannes, ob er nicht lieber seinem Freund beistehen sollte, doch der Offizier in Philippe hatte ihm keine Wahl gelassen. Philippe wollte verhindern, dass er bei dem Zusammenstoß mit dem aufgebrachten Vater anwesend war, also gehorchte er.
    ***
    Gut eine Stunde später – Hannes lag in einer Art Dämmerzustand auf seinem Bett –, öffnete sich die Zimmertür, und Philippe trat ein. Hannes fuhr hoch, musste sich aber am Fenstersims festhalten, um nicht wie von einem Hammer getroffen zurück auf die Matratze zu fallen. Der Alkohol in seinem Blut machte ihm erheblich zu schaffen, allerdings gelang es ihm, einen prüfenden und besorgten Blick auf seinen Kameraden zu werfen. Dieser wirkte erstaunlich aufgeräumt, stellte Hannes fest, wobei er seinen Sinneseindrücken nicht mehr so ganz traute.
    »Leg dich schlafen. Du solltest deinen Schädel schonen, wie ich soeben beim Begleichen der Rechnung erfahren habe«, foppte Philippe ihn.
    Erleichtert sank Hannes zurück auf das quietschende Metallbett. Sein Freund musste die Situation entschärft haben, denn neben seiner äußerlichen Unversehrtheit klang er gewohnt ruhig.
    »Was war denn da unten los?«
    »Unterschätze nie das Ansehen eines Offiziers, den Namen Meindorff, die Entschuldigung, dass der Kadett noch ein unreifer Jungspund ist, auf den ich als älterer Bruder selbstverständlich ein wachsames Auge habe, wie auch auf die Mädchen in unserer Begleitung, und unterschätze auf keinen Fall die
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