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Himmel ueber fremdem Land

Himmel ueber fremdem Land

Titel: Himmel ueber fremdem Land
Autoren: Elisabeth Buechle
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für seinen Geschmack – oder seinen Zustand – zu grelles Licht verbreiteten und den robusten, ebenfalls aus dunklem Eichenholz gefertigten Tresen, an dem sein Kopf haarscharf vorbeigeschrammt war.
    Das schrille Lachen eines der Mädchen, die bei ihnen am Tisch gestrandet waren, schmerzte in seinen Ohren. Sein Begleiter Philippe hatte diese eigentümliche Eigenschaft, überall, wo er auftauchte, die Aufmerksamkeit der Frauen auf sich zu ziehen.
    Hannes grinste und legte sich bequemer hin. Seit vielen Jahren lebte Philippe in ihrem Haus, trug sogar den Nachnamen Meindorff, doch noch immer wusste Hannes nicht, als was er ihn eigentlich bezeichnen sollte. War er sein Freund oder vielmehr sein Bruder? Pflege- oder Ziehbruder klang umständlich; ein richtiger Bruder war er nicht, davon hatte Hannes zwei und mit beiden konnte er wenig anfangen – wohl aber mit Philippe.
    Der junge Mann in der Uniform der Elite-Kadettenanstalt Groß-Lichterfelde 1 hob die Augenbrauen, als ein mächtiger Schatten zwischen ihn und die Lichtquellen an der Decke trat.
    Die Person beugte sich über ihn. »Alles in Ordnung?«
    »Ja, ja. Ich sammle nur Kraft für die nächsten Stunden«, gab Hannes mit schwerer Zunge zurück und brachte damit den besorgt dreinblickenden Philippe zum Schmunzeln. Der setzte sich neben ihn auf den Boden, mit dem Rücken gegen die Vertäfelung des Tresens gelehnt, und streckte die Füße in den hochschaftigen, braunen Armeestiefeln weit von sich. Dunkle Bartstoppeln wucherten in seinem sonnengebräunten Gesicht mit dem kantigen Kinn, das die Frauen so anzog – ebenso wie seine exotische Schutztruppenuniform mit den blauen Ärmelumschlägen, die ihn als Mitglied der deutsch-südwestafrikanischen Truppen auswies.
    »Du bist zu grün für diese Menge Alkohol«, rügte Philippe ihn leise.
    »Ich bin nur ein paar läppische Jahre jünger als du, das sind also nur ein paar läppische Bier weniger!«, witzelte Hannes, wandte den Kopf und schaute Philippe an. Verwundert stellte er fest, dass dessen Blick vollkommen klar war und nicht verriet, dass er auch nur annähernd zu viel Alkohol abbekommen hatte. Vertrug dieser Kerl denn so viel, oder … Hannes hatte nicht darauf geachtet, wie viele Gläser Philippe im Laufe des Abends geleert hatte. Womöglich hielt er sich ja noch an seinem ersten Bier fest!
    Schweigen senkte sich zwischen die Freunde, und obwohl Hannes’ Kopf sich schwerer anfühlte als sonst, liefen seine Gedanken immer weiter, während am Tisch die Runde munter weiterfeierte, ungeachtet der Tatsache, dass die beiden vormals so interessanten Uniformierten fehlten.
    Hannes war wütend auf Philippe gewesen, weil der von seinen drei Monaten Heimaturlaub nahezu zweieinhalb in irgendwelchen anderen Ländern zugebracht hatte und nur für die letzten paar Tage nach Hause kommen würde, bevor er nach Afrika zurückkehren musste.
    Der Ziehsohn seiner Eltern war schon immer ein unabhängiger Vagabund gewesen, vielleicht, weil er als Kind so oft hin und her geschoben worden war. Philippe eckte ständig überall an, was den dickfelligen jungen Mann aber zumindest nach außen hin nicht zu beeindrucken schien.
    Hannes beneidete Philippe um diese Kaltschnäuzigkeit, war er selbst doch ganz anders. Verwöhnt nannten ihn die einen, leichtlebig die anderen. Beides stimmte. Er war privilegiert aufgewachsen und besaß nicht den Ehrgeiz, sich den Regeln und Normen seines dominanten Vaters, der Gesellschaft oder des Lehrkörpers zu widersetzen. So führte er ein angenehmes Leben, das er zumeist genoss und das vor allem dank Philippe nicht langweilig wurde, dem ständig originelle Abenteuer einfielen und der dennoch zuverlässig dafür sorgte, dass Hannes nicht zu Schaden kam. Aus diesem Grund störte es ihn auch so sehr, dass Philippe den Großteil seines Urlaubs im Ausland verbracht hatte, wenngleich Hannes bewusst war, dass er nicht viel von ihm gehabt hätte, denn immerhin war er selbst ja die meiste Zeit in der Kadettenanstalt kaserniert.
    An seinem freien Wochenende hatte er es sich nicht nehmen lassen, Philippe mit seinem nagelneuen Automobil vom Kieler Hafen abzuholen, und nun waren sie irgendwo auf der Strecke zwischen Kiel und Berlin in einem Gasthaus versackt. Nein, er war versackt, stellte Hannes mit einem neuerlichen prüfenden Blick in Philippes wache Augen fest.
    Er hatte genug davon, irgendwelchen schwer zu sortierenden Gedanken nachzuhängen, also richtete er sich mühsam auf die Ellenbogen auf und stieß seinen
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