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Himmel ueber fremdem Land

Himmel ueber fremdem Land

Titel: Himmel ueber fremdem Land
Autoren: Elisabeth Buechle
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der Lampen aufblitzende Glas erhob, um einen Toast auf das Brautpaar auszubringen.
    Tilla lächelte Joseph an, der seine Augen jedoch über die überschaubare Anzahl der Anwesenden schweifen ließ. Demy tat es ihm gleich. Seit dem Tod ihrer Mutter hatte es keine Gesellschaften mehr in diesem Haus gegeben und entsprechend zurückhaltend und fremd wirkten die eigens für diesen Tag geladenen Gäste. Demy, die keinen Champagner eingeschenkt bekam, da sie mit ihren 13 Jahren als zu jung befunden wurde, trank ihr Wasser in einem Zug aus. Während die langstieligen Gläser der sich zuprostenden Gäste klingend aneinanderstießen, folgte sie heimlich ihrem Bruder in die Dunkelheit hinaus.
    Kalte Feuchtigkeit hüllte sie ein, denn über den vom bleichen Mond beschienenen Wiesen lag ein beinahe dickflüssig erscheinender Nebel. Tagsüber war deutlich der nahe Einzug des Frühlings spürbar, doch des Nachts versuchte der Winter noch immer, sich die Herrschaft über das Land nicht aus den frostigen Fingern reißen zu lassen.
    Suchend sah sich das Mädchen nach seinem Bruder um. Dass der siebenjährige Feddo sich in der Runde der Erwachsenen langweilte, konnte sie gut nachvollziehen, doch dass er nicht hinauf in sein Zimmer gegangen war, sondern den Weg in die Nacht hinaus gewählt hatte, machte sie neugierig.
    Für den Bruchteil eines Augenblicks glaubte sie einen Schatten zwischen den Kopfweiden am Kanal zu sehen, daher raffte sie ihr neues, aus feiner Seide und Tüll gefertigtes weinrotes Kleid und rannte mit schnellen Schritten zur steil abfallenden Böschung. Die schlanken Zweige der Kopfweiden trugen noch keinen Blätterschmuck, weshalb sie inmitten des dichten Bodennebels wie unheimliche Fabelgestalten aussahen, die sie ergreifen und in das nahezu stehende dunkle Wasser der Gracht zu werfen versuchten.
    Demy rümpfte die Nase und kämpfte gegen ihre allzu lebhafte Fantasie an, ehe sie unter den Ästen durchtauchte, um hinter die lange Reihe knorriger Stämme zu schlüpfen. Der modrige Geruch von nasser Erde nahm zu, und die Feuchtigkeit drang in ihr dünnes, vornehmes Kleid. Ihr sorgsam aufgestecktes schwarzes Haar kringelte sich um ihre Stirn und in ihrem Nacken zu winzigen Löckchen zusammen.
    Was wollte Feddo hier? Das Wasser in der Gracht war tief und eiskalt, zudem bot der steile Abhang keinerlei Halt, sollte der Junge ins Rutschen geraten.
    »Hilf mir mal!«
    Demy zuckte erschrocken zusammen. Keine fünf Meter von ihrem Standort entfernt machte sie die Silhouette ihres Bruders aus. Er kauerte direkt am Wasser und hatte sein weißes Hemd bis über den Bauchnabel hochgerollt. Irgendetwas schien er darin festzuhalten, und mit der anderen Hand klammerte er sich an ein paar braunen Grashalmen der Böschung fest. Feddo wollte offenbar den Hang wieder hinaufklettern, brachte das mit nur einer freien Hand aber nicht zuwege.
    »Was hast du da?«, fragte Demy interessiert, während sie mit vorsichtigen Schritten zwischen dem Abhang und den Weiden hindurch zu ihm eilte.
    »Jetzt mach schon!« Feddo suchte sich einen halbwegs festen Stand und reckte ihr kurz seine nasse, schmutzverklebte Hand entgegen, musste sich dann aber schnell wieder festhalten.
    »Wenn Papa diesen nächtlichen Ausflug mitbekommt oder sieht, was du mit deinen neuen Kleidungsstücken anstellst …«
    »Wird er schon nicht.«
    Wenig überzeugt klammerte Demy sich mit einer Hand an einen der biegsamen Weidenäste, rutschte ein Stück den Abhang hinunter und streckte ihrem Bruder die Rechte entgegen.
    Der Siebenjährige fixierte mit den Augen ihre etwa einen Meter von ihm entfernte Hand, ließ das Böschungsgras los, stemmte sich hoch und krallte sich gerade noch rechtzeitig an Demy fest, ehe seine schwarzen Schuhe, die nicht für eine derartige Entdeckungstour gedacht waren, abrutschten. Er sank auf die Knie, ohne seine geheimnisvolle im ehemals weißen Hemd versteckte Beute loszulassen.
    Demy stöhnte unter der Last an ihrem Arm, doch sie stemmte sich mit ihren hellen Satinschühchen in den matschigen Untergrund, und schließlich gelangte Feddo auf die Böschung hinauf.
    »Was hättest du getan, wenn ich nicht auf der Suche nach dir gewesen wäre?«, fauchte sie ihren Bruder ungehalten an.
    »Dann hätte ich mir was anderes einfallen lassen!«
    Demy rümpfte die Nase. Als Feddo das nasse, verschmutzte Hemd ein Stück aufrollte, sah sie, was er darin versteckte: Gut ein Dutzend winzige graugrüne Frösche, die sehr spät im vergangenen Jahr als Laich abgelegt
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