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Himmel ueber fremdem Land

Himmel ueber fremdem Land

Titel: Himmel ueber fremdem Land
Autoren: Elisabeth Buechle
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Wirkung, wenn man das alles dem aufgebrachten Vater bei einem leckeren Essen und einem guten Tropfen Wein erklärt. Ach, nebenbei bemerkt, es ist auch von Vorteil, dem Wirt unverzüglich zu versichern, dass du selbstverständlich für den durch einen berechtigten Ausbruch eines besorgten Familienangehörigen entstandenen Schaden an Möbeln und Gläsern aufkommen wirst.«
    »Danke, Freund«, murmelte Hannes, ohne selbst so recht zu wissen, ob er es ironisch oder erleichtert meinte.
    Im Gegensatz zu Hannes, der noch mit Stiefeln auf dem Bett lag, entkleidete Philippe sich bis auf die Unterwäsche und schlüpfte unter die Decke.
    »Jetzt hab ich dich um eine Nacht mit der Brünetten gebracht«, brummte Hannes schlaftrunken zu dem anderen Bett hinüber, das er im bläulichen Mondschein nur undeutlich erkennen konnte.
    »Wen sollte das stören?«, lautete die eigentümliche Antwort von Philippe, doch Hannes verstand zu dieser späten Stunde ohnehin nicht mehr viel.
    Mit dem zufriedenen Lächeln eines Mannes, der wieder einmal aus der strengen Enge seines Elternhauses und den ebenso rigiden Regularien der Militärschule ausgebrochen und ungeschoren davongekommen war, schlief er ein.

Kapitel 3
    Berlin, Deutsches Reich,
März 1908
    Die Kutsche hielt auf einem breiten, in der Mitte von einer Grünfläche und Bäumen geteilten Boulevard, vor einem hohen schmiedeeisernen Tor. Das Haus hinter dem sandsteingepflasterten Vorplatz stand den herrschaftlichen Gebäuden, die Demy auf den letzten Kilometern bestaunt hatte, in nichts nach.
    Nachdem der Bedienstete die gepolsterte Tür geöffnet und den Tritt heruntergeklappt hatte, war Demy die Erste, die ausstieg, wobei sie die helfend angebotene Hand des Bediensteten geflissentlich übersah und allein heruntersprang. Staunend legte sie den Kopf in den Nacken und betrachtete die von der Abendsonne beschienene weiße Hausfassade, die hohen, durch Sprossen unterteilten Fenster, über denen schmucke Stuckdächer hervortraten, die ausschließlich der Zierde dienten und keinerlei Nutzen hatten.
    Demy maß das Haus mit den Augen ab. Vermutlich hätte das ansehnliche Wohnhaus auf dem Gut ihres Vaters zwei- oder gar dreimal in dieses Stadthaus hineingepasst.
    Eine der beiden wuchtigen, oben abgerundeten Flügeltüren schwang auf, und auf der Plattform oberhalb der ausladenden Treppe stellten sich über ein Dutzend Personen auf, um die Ankömmlinge willkommen zu heißen.
    Unbehaglich betrachtete Demy das Begrüßungskomitee. Die weiblichen Bediensteten trugen auffällig gute Kleider mit makellos geplätteten weißen Schürzen und schlichten spitzenbesetzten Häubchen auf dem Haar. Würde sie, da sie in diesem Haus ebenfalls als Angestellte galt, dieselbe Kleidung tragen müssen?
    Zwei Männer in schwarzen Hosen, weißen Hemden und grau-schwarz gestreiften Westen eilten die Stufen herunter und luden das reichlich mitgeführte Gepäck ihrer Schwester vom Kutschdach. Auch sie machten auf Demy einen äußerst steifen und vornehmen Eindruck. Wie immer, wenn sie sich unbehaglich fühlte, rümpfte sie ihre schmale Nase, wodurch sich auf dieser winzige Falten bildeten.
    »Lass das!«, wurde sie prompt von ihrer älteren Schwester zurechtgewiesen.
    »Geh du lieber da die Treppe hinauf. Schließlich wirst du die Dame des Hauses sein!«, gab Demy widerborstig zurück.
    Das Mädchen beobachtete, wie Tillas Blick über die mehrstöckige Hausfassade wanderte und sich ihre Gesichtszüge dabei von Unsicherheit in Begeisterung wandelten.
    »Selbstverständlich, aber du folgst mir.«
    »Sicher doch, gnädiges Fräulein.«
    Tilla bedachte Demy erneut mit einem ihrer vorwurfsvollen Blicke, ehe sie ihren schilfgrünen bodenlangen Reiserock mit einer Hand raffte und sich gemessenen Schrittes den Treppenstufen näherte.
    Ein knatterndes Geräusch, das zunehmend lauter und unangenehmer wurde, lenkte Demys Aufmerksamkeit von ihrer Schwester ab. Neugierig drehte sie sich um und sah, wie ein schwarzer Daimler Cardan-Wagen vor dem schmiedeeisernen Portal anhielt. Dem Vehikel entstieg ein schlanker junger Mann. Dieser nahm seine Schutzbrille ab, wobei er gleichzeitig auch die Schildmütze von seinem braunen Haar zog, und stürmte auf Tilla zu, um sie am Ellenbogen zu ergreifen.
    »Fräulein Tilla van Campen, nicht wahr?«
    Mit einem Hochmut, der ihr beigebracht worden war, um allzu forsche Männer auf gebührlicher Distanz zu halten, reckte sie das Kinn und blickte zu dem jungen Uniformierten auf, der ihr ein
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