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Himmel ueber fremdem Land

Himmel ueber fremdem Land

Titel: Himmel ueber fremdem Land
Autoren: Elisabeth Buechle
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unbeeindrucktes Lächeln schenkte.
    »Ich bin Hannes Meindorff und soll mich bei Ihnen im Namen meines Bruders entschuldigen, weil er Sie leider nicht persönlich willkommen heißen kann. Er ist noch geschäftlich unterwegs, kommt aber, sobald es ihm möglich ist.«
    Der junge Mann verbeugte sich galant, was wegen der Schmutzspur in seinem Gesicht und seiner zerzausten Haare so unpassend wirkte, dass Demy ein amüsiertes Auflachen nicht unterdrücken konnte.
    »Und Sie sind Fräulein Demy, die Schwester meiner zukünftigen Schwägerin?«, wandte er sich prompt an sie.
    Demy schrak zurück, als er auch ihre Hand ergriff, einen Handkuss über diese hinweghauchte und sie mit seinen auffallend weißen Zähnen fröhlich angrinste.
    »Ja«, konnte sie nur erwidern, denn Josephs jüngerer Bruder drehte sich bereits wieder zu Tilla um und bat diese, ihm zu folgen.
    Gemeinsam stiegen sie die Stufen hinauf, und Hannes stellte ihnen der Reihe nach die geduldig wartenden Bediensteten vor. Demy, überfordert von den vielen neuen Eindrücken, behielt nicht einen einzigen Namen in ihrem Gedächtnis.
    Schließlich geleiteten zwei Dienstmädchen, gefolgt von ein paar Männern mit ihrem Gepäck, die Schwestern in den ersten Stock. Ihr Weg führte sie einen Flur entlang, dessen weinroter Teppichbelag die Geräusche ihrer Schritte fast vollständig verschluckte. Vor einer weißen Doppeltür stoppte die Prozession. Eine der Bediensteten öffnete den linken Flügel und trat höflich zurück, damit Tilla und Demy zuerst eintreten konnten.
    Während Tilla in den Raum hineinging und einen kurzen Blick über den dunklen Holzboden, die geblümte Stofftapete und die erlesenen Möbel gleiten ließ, wobei sie bereits die Nadeln aus ihrem breitrandigen Hut zog, hielt Demy mit staunend offen stehendem Mund inne. Einen so prachtvoll ausgestatteten Raum hatte sie noch nie zuvor gesehen. Vorhänge aus schwerem Samt, Orientteppiche mit verschlungenen Mustern und ein wuchtiges Himmelbett ließen sie nahezu ehrfürchtig die Luft anhalten. In den Sonnenstrahlen, die durch die hohen Fenster hereindrangen, schimmerten die edlen Holzmöbel in warmen Farben.
    Tilla warf ihren Hut achtlos auf eine Kommode und drehte sich nach ihrer Begleiterin um. Mit ein paar Schritten war sie bei ihr und schob ihr mit der Hand den Mund zu.
    »Hör gefälligst auf zu starren. Es muss niemand bemerken, wie ungewohnt derartiger Luxus für uns ist!«
    »Und warum nicht?«, zischte Demy zurück.
    »Weil Papa natürlich nicht gesagt hat, dass er pleite ist. Wir möchten doch nicht, dass in diesem Haus jemand auf den Gedanken kommt, ich heiratete Joseph des Geldes wegen.«
    »Tust du aber doch!«, konterte Demy.
    »Halt den Mund!« Tilla wandte sich an eines der Dienstmädchen. »Henny, zeige Fräulein van Campen bitte ihr Zimmer.«
    Die junge Frau mit den feuerroten Locken lächelte Demy an, ging zu einer unscheinbaren schmalen Tür und öffnete sie.
    Demy betrat zum ersten Mal ihr neues Reich. Das Zimmer war etwa halb so groß wie einer der beiden Räume ihrer Schwester, aber sehr hübsch ausgestattet und besaß, da es sich um ein Eckzimmer handelte, auf zwei Seiten Fenster und sogar einen Zugang zu einem kleinen Balkon.
    »Oh, wie schön!«, sagte Demy, dankbar darüber, endlich einen Ort zu haben, an den sie sich zurückziehen konnte.
    Als es an eine zweite Tür klopfte, fuhr sie neugierig herum. Henny öffnete die Haupttür zum Flur und ließ damit einen Livrierten ein, der wortlos Demys Reisetasche auf einen Stuhl stellte, sich knapp in ihre Richtung verbeugte und augenblicklich wieder nach draußen verschwand. Das Mädchen fragte sich einen Moment lang, ob der Mann vor ihr die Flucht ergriff, da er nicht einmal abwartete, bis sie sich bedankte.
    Allerdings wurde sie sofort abgelenkt, da Henny ihre Tasche öffnete und ihre Wäsche auf die mit unzähligen Schubladen versehene Kommode zu stapeln begann.
    »Bitte, ich möchte selbst auspacken.« In Demy sträubte sich alles dagegen, einer Fremden dabei zuzusehen, wie sie in dem wenigen herumwühlte, was sie nach Berlin hatte mitbringen dürfen.
    Das Dienstmädchen sah sie mit hochgezogenen Augenbrauen an, legte die Blusen zurück in die Tasche und trat folgsam, wenn auch sichtlich verwirrt, beiseite.
    Demy fühlte sich verloren in diesem fremden Raum und wartete erst einmal ab, was nun geschah. Ihr Blick wanderte von der offen stehenden Verbindungstür zum Zimmer ihrer Schwester, von dort weiter zu den beiden Türflügeln, die
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