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Die Schule der Spielleute

Die Schule der Spielleute

Titel: Die Schule der Spielleute
Autoren: bonn
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INVOCAVIT
    Am Sonntag Invocavit des Jahres 1339, kurz vor Einbruch der Dunkelheit, betraten Alheit und Franz Wohlgesang das Gasthaus zum Wilden Mann in Worms. Am Aschermittwoch waren sie in Mainz aufgebrochen. Nach gut vier Tagen Marsch war Alheit glücklich, den kalten Nebel der Gassen hinter sich lassen zu können, der ihr durch Mantel und Kleid bis auf die Haut gedrungen war. Den Instrumenten würde etwas trockenere Luft ebenfalls gut bekommen.
    Der Wirt schaute sie finster an. ťGeschlossen.Ť Mit seiner hohen, breiten Gestalt versperrte er die Tür.
    ťWir sind hier auf Geheiß des Herrn Heinrich von AlzeyŤ, antwortete Alheit.
    Wortlos hielt der Wirt die Hand auf.
    Alheit nestelte den Brief ihres Gönners aus ihrer Gürteltasche und reichte ihn dem Wirt. Der betrachtete das Pergament eine ganze Weile, als ob er lesen könnte. Das Siegel müsste er immerhin erkennen.
    ťÜbern Hof, dann links die Treppe hinaufŤ, sagte er schließlich.
    Zwar widerstrebte es Alheit, diesen Raum zu verlassen, der mit Wärme und dem Duft eines kräftigen Eintopfs gefüllt war, und Franz erging es wohl kaum anders. Aber auch die Aussicht, nach vier Tagen Marsch die Kiepe mit den Instrumenten endgültig absetzen zu können, war verlockend. Nur noch diese wenigen Schritte.
    Der Raum, den sie auf der anderen Seite des Hofes betraten, war nicht beheizt. Nur der Schlot vom Kamin im Erdgeschoss versprach, etwas Wärme zu verbreiten. Zumindest lehnten zwei leicht bekleidete junge Männer daran. Einer der beiden sprang auf, schlank und beweglich, mit goldglänzendem Haar und blauen Augen.
    ťGott grüße euchŤ, sagte er strahlend und ging auf die Neuankömmlinge zu. ťIch bin Elbelin der Sackpfeifer, das ist mein Geselle Gottfrid.Ť Er deutete auf den zweiten, der noch immer am Schlot saß. Dieser sah Elbelin recht ähnlich, nur schimmerte sein Haar eher kupfern als golden. Selbst die Kleider der beiden waren nach dem gleichen modisch engen Schnitt gefertigt, die Farben gerade vertauscht. Während Elbelins linkes Bein in grünes Tuch gehüllt war und das rechte in gelbes, war es bei Gottfrid umgekehrt.
    ťGott grüße euchŤ, erwiderte Alheit. Sie stellte Franz und sich vor. Im Vergleich zu diesen beiden fühlte sie sich alt. Elbelin und Gottfrid könnten ihre Söhne sein. In ihren farblosen, aber warmen Reisekleidern wirkten Alheit und Franz eher wie biedere Händler oder Pilger, nicht wie Spielleute. Man musste den Inhalt ihrer Kiepen schon genauer betrachten, um ihr Handwerkszeug zu finden.
    ťKomm, Gottfrid, rück ein Stück zur SeiteŤ, forderte Elbelin. ťDie beiden sollen auch ein warmes Plätzchen haben.Ť
    Gottfrid brummte und begann, seine Habseligkeiten etwas platzsparender zu ordnen.
    Alheit schüttete zwei Lager aus Stroh auf, während Franz die Instrumente aus ihren Leder-und Filzhüllen nahm und sie, in sicherer Entfernung vom Schlot, neben Elbelins und Gottfrids Sackpfeife und Schalmei auslegte. Laute, Drehleier, Schalmei, Flöten, Tamburin und Trommel.
    Elbelin sah ihm über die Schulter und nickte anerkennend. ťIhr seid ja gut ausgerüstet.Ť
    Franz schlug probehalber auf das Tamburin, das nur ein paar dumpfe Töne hervorbrachte. ťIhr wisst ja selbst, was von uns Spielleuten alles erwartet wird.Ť
    Elbelin nickte. ťWir haben auch noch Rotta und Rebec dabei. Ein Trommler fehlt uns leider.Ť
    ťUns auchŤ, sagte Franz. ťLetztes Jahr im Sommer waren wir noch eine schöne Truppe.Ť Er betrachtete die Laute von allen Seiten. ťDann ist unser fahrender Schüler seiner Berufung gefolgt, unsere kleine Sängerin hat geheiratet, und der Gaukler
    Ť, er schlug einen missgestimmten Akkord an, ť
    wurde erschlagen.Ť
    ťGott sei seiner Seele gnädigŤ, sagte Elbelin. ťWer unser Handwerk übt, lebt gefährlich.Ť
    Alheit ging zu Franz hinüber und nahm die Schalmei auf. ťKein Rohrblatt?Ť
    Er schüttelte den Kopf. ťUnterwegs doch nie.Ť
    Elbelin schaute sie mit großen Augen an. ťDu spielst Schalmei? Das hätte ich von einer zarten Dame nicht erwartet.Ť
    Alheit wusste nicht, ob sie lachen oder sich ärgern sollte. Nichts an ihr war zart, weder die strohigen Haarsträhnen, die unter der Haube hervorlugten, noch das von Wind und Wetter gerötete Gesicht oder ihre kastenförmige Gestalt. Ihre breiten Finger passten eben besser zur Schalmei als zum Saitenspiel.
    Franz lachte an ihrer Stelle. ťMeine zarte Dame hat keine Angst, sich mit Räubern und Mördern anzulegen. Da ist Schalmei blasen doch eine Kleinigkeit.Ť
    ťDas musst du
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