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Himmel ueber fremdem Land

Himmel ueber fremdem Land

Titel: Himmel ueber fremdem Land
Autoren: Elisabeth Buechle
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worden sein mussten, weshalb sie sich erst in diesem Frühjahr entwickelt hatten und alle noch ihre Kaulquappenschwänze besaßen.
    »Was hast du mit denen vor?« Demys Stimme klang misstrauisch. Immerhin kannte sie Feddos Streiche nur zu gut, zumal sie an den meisten nicht ganz unbeteiligt war.
    »Du willst doch hierbleiben, oder?«
    Demy nickte nur und betrachtete die winzigen Amphibien. Sie sprangen und kletterten tollkühn übereinander, weshalb Feddo sie schleunigst zurück in das Hemd rollte.
    »Du sollst in Berlin Haustochter oder Gesellschafterin für eine Dame in feinen Kreisen sein. Weißt du, was von so einer verlangt wird?« Ihr Bruder sah sie im bleichen Schein des Mondes fragend an.
    »Nein. Du?«
    »Nein. Aber ich weiß, dass Tilla mit deinem Alter geschummelt hat. Sie gab an, du seist bereits sechzehn Jahre alt. Und ich weiß in jedem Fall, was von einer Gesellschafterin nicht erwartet wird!«
    Feddo und Demy grinsten sich an.
    ***
    Erik van Campen warf einen Blick auf das sorgsam in Stroh verpackte wertvolle Geschirr, das er sich, wie so vieles andere, eigens für den Besuch des Verlobten seiner ältesten Tochter ausgeliehen hatte und jetzt zurückbringen sollte. Einen Augenblick spielte er mit dem Gedanken, die wunderschönen Kostbarkeiten zu behalten, da er seine eigenen seit dem Tod seiner zweiten Frau stückweise hatte veräußern müssen. Andererseits würde er bald wieder ins Geschäft kommen und sich neue Märkte erschließen können, sobald durch Tilla die Bande zwischen den van Campens und den Meindorffs erneut geknüpft waren. Seine Geschäftskontakte nach Deutschland hatte er nach dem Tod seiner ersten Frau, einer gebürtigen Meindorff – jedoch aus einer anderen Linie stammend – nicht zu halten vermocht.
    Er schüttelte den Kopf und packte die ebenfalls geliehenen wertvollen Brokatkissen beiseite. Solcher Luxus musste warten, bis Tilla verheiratet war und er bei Vertragsverhandlungen und Geschäftsabschlüssen seine neuen Verwandten als Bürgen angeben oder über sie an Investitionsmöglichkeiten gelangen konnte.
    Vom Innenhof drangen aufgeregte Stimmen herein; offenbar diskutierte Demy wieder vergebens mit Tilla. Dabei offenbarte sie ihren außergewöhnlich ausgeprägten Wortschatz, den sie sich in ihren gemeinsamen langen Lesestunden mit Anki angeeignet hatte. Das temperamentvolle Mädchen war noch immer nicht bereit, ihre Schwester nach Berlin zu begleiten.
    Während er mit einer Hand über den edlen Stoff des obersten Kissens strich, verriet ein Seufzen, wie sehr ihm der Gedanke missfiel, neben Anki und Tilla auch Demy in die Ferne zu schicken. Tilla war durchaus in einem Alter, in dem sie heiraten und ihren eigenen Hausstand gründen sollte, aber Demy war erst 13, viel zu jung für einen dauerhaften Aufenthalt in der Fremde. Sein einziger Trost war, dass ihm die brave, hilfsbereite Rika und der kleine Spitzbube Feddo blieben.
    Bei dem Gedanken an seinen Sohn grinste Erik breit. Joseph war einen Tag früher als geplant abgereist – was Erik beträchtliche Kosten einsparte, da er nun das geheuchelte feudale Leben, das seine Finanzen erheblich überstieg, frühzeitig beenden konnte. Ihm war durchaus bewusst, weshalb Feddo und Demy die Froschinvasion in das Zimmer des zukünftigen Gatten ihrer Schwester geschmuggelt hatten. Das Mädchen hatte gehofft, ihre Schwester, in erster Linie aber deren Verlobten davon überzeugen zu können, dass sie als Gesellschafterin für Tilla nicht tragbar war. Doch obwohl Demys schlammverschmutztes Kleid keinen Zweifel daran ließ, wer hinter dem nächtlichen Aufruhr steckte, schob Tilla die Schuld allein Feddo in die Schuhe und bestand auf der Einhaltung des Arrangements.
    Erik zog seine buschigen Augenbrauen zusammen. Er wollte die lebensfrohe, wilde Demy gern bei sich behalten, doch Tilla hatte ihm praktisch das Messer auf die Brust gesetzt. Er war gezwungen, sie ziehen zu lassen.

Kapitel 2
    Bei Lübeck, Deutsches Reich,
März 1908
    Laut lachend kippte Hannes Meindorff mitsamt seinem Stuhl nach hinten über. Polternd und krachend schlug er auf dem graugrünen Linoleumboden auf und spürte unsanft, wie sich die Lehne in seinen Rücken bohrte. Doch der Schmerz flaute ebenso schnell wieder ab, wie er gekommen war, sodass er mit den Frauen am Tisch weiterlachte. Leicht benommen – allerdings nicht von seinem Sturz, sondern des Alkohols wegen –, blieb er liegen und betrachtete die dunkle Holzdecke, die Messinglampen, deren elektrische Birnen ein
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