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Hexen in der Stadt

Hexen in der Stadt

Titel: Hexen in der Stadt
Autoren: Ingeborg Engelhardt
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hochmögenden Verantwortlichen! An die sollten Fürstliche Gnaden sich halten.
    Der Bischof zuckte die Achseln. Sollte dieser kleine Schreiber mehr Mut beweisen als andere, weit gewichtigere Männer, die er schon befragt hatte? Doch gab es noch einen Punkt, um dessentwillen der Bischof ein wenig mehr Hoffnung auf Kilian Poscher gesetzt hatte als auf manchen andern. »Nun gut«, sagte er, »genug davon! Menschliche Fähigkeiten haben ihre Grenzen. Doch ist mir zu Ohren gekommen, Er habe ganz insgeheim für sich selbst eine Chronik über die Prozesse geführt. Vielleicht könnte dieses Schriftstück doch einigen Aufschluß geben über Dinge, die das amtliche Protokoll nicht enthält.«
    Da erschrak der Kilian Poscher so sehr, daß er für einen Augenblick selbst dem Bischof leid tat. Er wurde rot und blaß, begann zu zittern, konnte nicht gleich reden und stotterte endlich hervor: »Wer das über mich verbreitet hat, der ist ein Verleumder. Nie hab’ ich mich eines so vorwitzigen Werkes unterfangen. Hätt’s auch gar nicht gekonnt, gänzlich ungelehrt und der Worte ungewandt, kann nur gerade das zu Papier bringen, was mir einer vorsagt.«
    Der Verleumder, entgegnete der Bischof trocken, müsse er wohl selbst gewesen sein. Vor gar nicht so langer Zeit solle er sich beim Trunk eines solchen Werks gerühmt haben.
    Kilian Poscher sah leibhaftig Stock und Galgen vor Augen. Daß die andern aber auch so genau hingehört und seine Worte weitergetragen hatten. Wenn er den erwischte, der den Spion gemacht hatte! Der Zorn gab ihm ein wenig von seiner Fassung zurück. Er schlug sich an den Kopf und erinnerte sich mit einem Male, es könnte wohl die Rede gewesen sein von einem unvollkommenen, ganz und gar kindischen Versuch, den er im Anfang einmal unternommen, aber bald wieder aufgegeben habe – »ein gänzlich törichtes Gesudel, ich hab’s längst verbrannt, wahrhaftig, Fürstliche Gnaden!«
    »So!« erwiderte der Bischof nur und nach einer beklemmend langen Weile: »Schade drum!« Sein Blick ruhte durchdringend auf dem immer noch zitternden Stadtschreiber. »Denk Er lieber noch einmal gut nach und durchsuch Er alle seine Kisten und Kasten! Mir wäre viel an einem solchen Dokument gelegen, um der Wahrheit zu dienen. Es dürfte gern ein Stück Geld kosten.«
    Stutzte der Schreiber? Es schien wohl nur so. Denn auf den nicht sehr gnädigen Wink der Entlassung verbeugte er sich hastig und hatte es eilig hinauszukommen. Draußen auf der Treppe zögerte er noch einmal. Nicht, daß es ihm ums Geld zu tun gewesen wäre! Die Zeiten waren Gottlob vorbei, da er ein paar Gulden hätte nachrennen müssen. Aber Fürstliche Gnaden hatten zuletzt glaubhaft den Anschein erweckt, als sei es Ihnen wirklich allein um eine Information zu tun, ganz ohne Hintergedanken. Vielleicht wäre dies eine nicht wiederkehrende Gelegenheit gewesen, sich höheren Ortes beliebt zu machen. Vielleicht – aber wer konnte es wissen! Nein, Vorsicht war besser. Kilian Poscher setzte den hohen Hut auf, stieg die Treppen gemessen hinunter und überquerte den Schloßhof, ein angesehener Bürger, der von einer Audienz bei Seinen Fürstlichen Gnaden kam, auf bescheidene Weise seiner Wichtigkeit bewußt.
    Der Bischof blickte finster auf die Tür, die sich hinter dem Stadtschreiber geschlossen hatte. Was fragte er noch, wie diese Welle des Wahnsinns hatte über das Land hereinbrechen können! Dieser Schreiber da mit seinem Verhalten gab die ganze Antwort darauf: mitgemacht, als es befohlen wurde, allzu leichtgläubig, blind gehorsam, ohne auch nur einen Versuch der Besinnung – und als es vorbei war, beflissenes Vergessen und Verleugnen. Keiner, der jene Zeiten miterlebt, hatte je mit entscheidenden Dingen zu tun gehabt oder höchstens gezwungen und mit Widerwillen. Das war bei dem Poscher nicht anders als bei andern, bei Richtern, Konsulenten, Schöffen. Der neue Bischof hatte keine Mühe gescheut, sie zu befragen, so viele von ihnen noch da waren. Denn nicht nur das Alter, auch Krieg und Seuchen hatten nur wenige übriggelassen, und diese wenigen hatten das Gedächtnis an gewisse drei Jahre ihres Lebens völlig verloren.
    Einen hätte er lieber befragt als alle andern und von ihm wohl auch eine Antwort erhalten: jenen Hexenrichter, der als einziger von allen sein Amt niedergelegt hatte und ins Kloster gegangen war, freilich erst, nachdem er eine grausame Lehre empfangen und die eigene Mutter hatte hinrichten sehen. Aber bei den Kapuzinern hatte man ihm nur sein Grab
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