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Hexen in der Stadt

Hexen in der Stadt

Titel: Hexen in der Stadt
Autoren: Ingeborg Engelhardt
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Kirche noch um ihren Bestand kämpfen mußte.
    Die heutige Zeit, der wachsende Tag eines mündigen Menschengeistes bedarf so düsterer Fackeln nicht mehr.«
    »Und sind Fürstliche Gnaden so sicher, daß dieser wachsende Tag, wie Sie ihn zu nennen belieben, solcher Feuerzeichen nicht mehr bedarf? Daß sie nicht einmal unter neuen Parolen wieder entflammt werden? Denn der menschliche Geist wandelt sich im Grunde nicht, was er auch an scheinbar neuen Gedanken hervortreiben mag.«
    »So werden sich in künftigen Zeiten wieder Mutige finden, die Feuerbrände auszutreten. Aber haben wir wirklich nicht schon jetzt Fortschritte gemacht? Denken Sie, Monsignore, an den kürzlich geschlossenen Frieden. Wir haben lernen müssen, die Ketzer neben uns zu dulden. Wir werden auch noch lernen, mit den Hexen zu leben und mit manchem andern, das wir heute noch nicht verstehen.«
    »Wie vereinen Fürstliche Gnaden so weitgehende Duldsamkeit mit Dero geistlichem Amt?«
    »Duldsam sein heißt noch nicht den Kampf aufgeben. Aber es muß ein Kampf der Geister sein, allein mit geistigen Waffen.«
    »Das riecht verdächtig nach der modischen Philosophie aus Frankreich, Fürstliche Gnaden. Was ist denn Geistiges daran, wenn alte Weiber Hagelwetter machen oder Kühe verhexen?«
    »Und was, vergeben Sie, geht solcher Köhlerglaube unsere heilige Kirche an?«
    »Fürstliche Gnaden sollten nicht lästern.«
    »Ich weiß, wovon ich rede, Monsignore. Ich bin in diesem Lande aufgewachsen, als es von Hexen wimmelte, und zum Heer gegangen, weil es da menschlicher zuging, wie mir schien. Wenn je bewiesen würde, daß solcherlei Schaden durch Menschen verursacht werden könnte, so wäre immer noch zu beweisen, daß der Teufel dahinter steckt, zu beweisen, Monsignore, nicht durch erfolterte Aussagen bis zum Wahnsinn wiederholen zu lassen. Aber soviel Mühe hat sich bisher noch keiner gegeben, kein Richter, kein Gelehrter, kein Kirchenfürst.«
    »Fürstliche Gnaden setzen mich in Erstaunen, wenn auch nicht so sehr, wie Sie vielleicht vermeinen. Es ist bekannt, daß auch der Heilige Vater die Auswüchse der Verfolgungen durchaus verurteilt. Wenn er nicht offen dagegen einschreitet, so einzig darum, weil es gefährlich ist, an diese Fragen zu rühren. Man könnte leicht damit enden, sogar den Teufel selbst zu leugnen.«
    »Den leugne ich keineswegs. Nur glaube ich nicht, daß er sich mit so billiger Beute zufrieden gibt, wie diese armen Weiber sind. Meinen Sie nicht, daß seine Macht viel feiner und viel, viel gefährlicher anderswo wirkt, allein in den menschlichen Seelen? Und daß er nur da bekämpft werden kann?«
    »Und die Hexen?«
    »Ich – möchte mich nicht vermessen, zu behaupten, es gäbe sie oder gäbe sie nicht. Eins aber weiß ich: Unter den neunhundert, die in diesem Lande verbrannt worden sind, ist nicht eine gewesen. Ich habe die Prozeßakten gründlich studiert und keinen einzigen wirklichen Schuldbeweis gefunden. Dafür habe ich auch das Zeugnis eines mir hochverehrten Priesters, der Hunderten von ihnen die Beichte abgenommen hat und in die gleichen Zweifel verfallen ist wie ich. Nein, Monsignore, solange wir nicht mehr von diesen Dingen wissen…«
    »So leugnen Sie sie doch?«
    Der Bischof fühlte die Bedeutung der Frage. Er zögerte mit der Antwort – selbst er. Zu viel stand auf dem Spiel. Was wußte er denn wirklich? Was war nur Wunsch und Hoffnung? Er zuckte die Achseln und blieb stumm.
     
     
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