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Juliregen

Juliregen

Titel: Juliregen
Autoren: Iny Lorentz
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I.
    U nunterbrochen flammten Blitze auf und tauchten den Himmel in blendend grelles Licht. Donnerschläge wurden zu einem schier endlosen Grollen und Krachen. Kreischend vor Angst, rannten die Mägde quer über die Felder auf den Gutshof zu, während die Knechte verzweifelt versuchten, das letzte Heu auf den Wagen zu laden und die Ernte zu retten. Auch sie zuckten bei jedem heftigeren Schlag zusammen und flehten Gott und alle Mächte des Himmels an, sie zu verschonen.
    »Verdammt, wollt ihr wohl arbeiten!«, brüllte Ottwald von Trettin, doch seine Stimme ging im infernalischen Lärm der entfesselten Elemente unter. Mit einer heftigen Bewegung stieß er seinem Wallach die Sporen in die Seiten und galoppierte auf die Knechte zu.
    »Macht schneller, ihr Hunde! Sonst ziehe ich euch die Peitsche über!«
    Hannes, der Vorarbeiter, stemmte eben eine volle Gabel Heu in die Höhe, doch eine Windbö erfasste die Halme und riss die meisten mit sich. Der Rest fiel auf dem Wagen von der Gabel, da die oben stehende Magd ihn nicht festhalten konnte.
    »So wird das nichts mehr, Herr«, rief Hannes zu Ottwald von Trettin hinüber. »Wir sollten zusehen, dass wir nach Hause kommen, bevor der Regen fällt!«
    Als Antwort erhielt er einen scharfen Hieb mit der Reitpeitsche. »Mach, dass du weiterschaffst! Den Mägden, die weggelaufen sind, ziehe ich den halben Wochenlohn ab. Das wird sie lehren, wegen so eines kleinen Gewitters das Feld zu verlassen. Los, ran an die Arbeit, oder ihr lernt mich kennen!«
    Der Vorarbeiter rieb sich die Stelle, an der ihn sein Herr mit der Peitsche getroffen hatte, und starrte auf das Heu, das die Mägde fein säuberlich zu Schwaden zusammengerecht hatten. Weiterzuarbeiten war sinnlos, denn der böige Wind riss die Schwaden immer wieder auseinander. Unter diesen Bedingungen war es unmöglich, den Wagen vollzuladen. Doch wenn er das dem Gutsherrn sagte, würde es ihm nur weitere Hiebe einbringen. Daher spießte er so viel Heu wie möglich auf die Gabel und reichte es nach oben.
    »Reiß dich zusammen, Ursel!«, schrie er durch das Donnergrollen zu der Magd hoch.
    Die Frau greinte vor Angst und wäre am liebsten den Mägden gefolgt, die sich bereits auf halbem Weg zum Gut befanden. Doch ohne Hilfe der Knechte konnte sie den bereits hoch beladenen Wagen nicht verlassen.
    »Wir müssen heimfahren, Hannes«, flehte sie.
    »Wenn es nach mir ginge, wären wir schon unterwegs. Aber er will es nicht.« Hannes deutete auf Ottwald von Trettin, der gerade um den Wagen herumritt und die Knechte auf der anderen Seite anschrie, das Heu aufzuladen.
    »Mach schon, Mädchen! Hilf uns, den Wagen vollzuladen. Umso schneller sind wir fertig und können die Fuhre ins Trockene bringen.«
    Kaum hatte Hannes das letzte Wort hochgerufen, da schoss ein Blitz geradewegs über sie hinweg auf den Gutshof zu. Die Knechte duckten sich unwillkürlich, und Ottwald von Trettin hatte Mühe, sein scheuendes Pferd zu bändigen. Im nächsten Moment krachte ein Schlag über das Land, der die Menschen für eine Weile taub machte.
    Oben auf dem Wagen hatte Ursel den besten Ausblick und nahm das Unglück als Erste wahr. Wild fuchtelnd deutete sie auf die große Scheune des Gutes. »Da hat es eingeschlagen!«
    Rauch und erster Flammenschein zeigten auch den anderen, was geschehen war. Während Hannes voller Entsetzen den Heiland anrief, fluchte der Gutsherr gotterbärmlich. »Verdammt, es brennt! Los, Leute! Wir müssen sofort löschen!«
    Während die Knechte ihre Heugabeln beiseitewarfen, um schneller rennen zu können, ritt Ottwald von Trettin in vollem Galopp auf den Gutshof zu. Der Rossknecht versuchte noch, die wild ausschlagenden und dann antrabenden Pferde vor dem Heuwagen zu bändigen, wurde aber von den Tieren mitgerissen. Einen Moment lang hielt er die Zügel in der Hand. Dann musste er loslassen, um nicht unter den Wagen zu geraten.
    »Wollt ihr wohl stehen bleiben, ihr Schindmähren!«, brüllte er hinter ihnen her.
    Da versetzte ein weiterer gewaltiger Donnerschlag die Pferde endgültig in Panik. Sie rasten los und zogen den Heuwagen hinter sich her, so dass er wie ein betrunkener Matrose schwankte. Ursel klammerte sich verzweifelt auf dem Wagen fest, fand aber in dem rutschenden Heu keinen Halt und stürzte hinab.
    Mittlerweile hatte Ottwald von Trettin das Gut erreicht und sprang von seinem schäumenden Pferd. »Warum löscht ihr nicht, ihr Hunde?«, fuhr er die Knechte an, die wie zu Salzsäulen erstarrt auf die Flammen
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