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Herrn Chabres Kur

Herrn Chabres Kur

Titel: Herrn Chabres Kur
Autoren: Emile Zola
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vorzüglicher Schaltiere vorrätig, und er gibt sie fast umsonst«, berichtete er.
    Bei dieser Mitteilung fand Herr Chabre seine gute Laune sofort wieder.
    »Ja, das ist eine gute Idee«, sagte er, »ich will ein Körbchen mitnehmen und mich noch ein letztes Mal recht satt daran essen, und weißt du«, wendete er sich mit einem schelmisch sein sollenden Lächeln an seine Frau, »weißt du, vielleicht sind's diesmal die richtigen!«
    Am nächsten Tag fand der Ausflug wirklich statt; sie mußten die Ebbe abwarten, und da Stella sich verspätete, wurde es fünf Uhr nachmittags, ehe sie aufbrachen. Herr Chabre war wieder recht sorgfältig gekleidet, als wollte er auf den Boulevards spazierengehen, doch trug er seinen unvermeidlichen Touristenschirm und ein Körbchen für seinen wichtigen Einkauf.
    Stella hatte ein fußfreies graues Leinenkleidchen an, und ihre nackten Füßchen steckten in Sandalen.
    Der Weg war anfangs recht beschwerlich. Sie mußten durch feuchten Sand, in den der Fuß versank, waten; Herr Chabre keuchte und schnaubte wie ein Blasebalg.
    »Ich gehe lieber hinauf«, sagte er endlich.
    »Daran tun Sie wohl«, entgegnete Hektor, »denn hier führt ein Fußsteig bequem aufwärts, später ginge es nicht mehr, da ist der Weg verlegt – soll ich Ihnen helfen?«
    Aber Herr Chabre klomm allein empor, Stella und Hektor blieben stehen und sahen ihm nach; als er oben angelangt war, spannte er seinen Schirm auf, schwang das Körbchen und rief: »Hier ist's weit besser! Also seid vorsichtig – und seht zu, daß euch nichts geschieht; übrigens gebe ich von oben aus auf euch acht!«
    Hektor und Stella schritten mitten durch die Klippen. Der Jüngling ging voraus und sprang über das Gestein mit der Gewandtheit und Anmut eines Bergjägers. Stella folgte mutig seinen Fußtapfen, und wenn er sich umwandte, um ihr zu helfen, lehnte sie mit den Worten ab: »Aber ich bin doch keine Großmutter!«
    Sie waren auf eine weitgedehnte Felsenplatte gekommen, in die das Meer tiefe und seltsame Furchen gezogen hatte, so daß sie wie der Abdruck des Gerippes eines vorsintflutlichen Tieres aussah. In den Höhlungen rieselten dünne Wasserfäden, und über das Gestein breiteten sich Algen wie dunkles Haargeflecht.
    Die beiden schritten weiter, hüpften über das Gerinnsel, sprangen von Stein zu Stein und scherzten über das Geröll, auf dem der Fuß strauchelte.
    »Ihre Felsen sind wirklich allerliebst«, lachte Stella, »so niedlich, daß man sie im Salon aufstellen möchte.«
    »Oh, warten Sie nur«, entgegnete er, »es kommt noch besser.«
    Sie gelangten an einen engen Durchgang zwischen zwei hochaufgetürmten Felsen, aber den Eingang versperrte eine ziemlich tiefe und breite Wasserlache.
    »Da werde ich nie hinüberkommen«, sagte Stella.
    Hektor erbot sich, sie zu tragen, allein sie schüttelte heftig das Haupt: Nein, sie wollte nicht mehr getragen werden.
    Da suchte er Steine und wollte eine Art Brücke damit herstellen, doch das Wasser war zu tief, und die Steine versanken.
    Sie verlor die Geduld und rief: »Reichen Sie mir die Hand, ich will hinüberspringen!«
    Sie sprang, aber sie sprang zu kurz und fiel ins Wasser; darüber mußten sie nun beide unbändig lachen.
    Als sie den Ausgang erreicht hatten, stieß die junge Frau einen Ausruf der Bewunderung und Überraschung aus.
    Eine weite, von mächtigen Felsen amphitheatralisch umschlossene Arena lag vor ihnen. Ungeheure Blöcke standen, vorgeschoben wie Wachtposten, inmitten der Wogen. Weiterhin hatte das Wasser tiefe Buchten in der Küste ausgehöhlt und den Granit glattgeschliffen, daß er schwärzlichem Marmor glich. Säle und Säulenhallen gab es, es sah aus, als habe hier einst eine gewaltige Zyklopenstadt gestanden, die der ewige Ansturm der Fluten und Stürme endlich zerstört hatte: Wälle und Mauern waren geschleift, die Türme halb abgetragen, die Häuser eingestürzt; Hektor führte seine Begleiterin in alle Winkel und zeigte ihr die Überbleibsel dieser grandiosen Zerstörung.
    Und Stella ging auf feinem, gelbem Sand, der wie Goldstaub aussah, über Kies, der, mit Glimmerflitter bedeckt, im Sonnenschein glitzerte, über gestürzte Felsblöcke, an die sie sich mit den Händen anklammern mußte, um nicht in Spalten und Untiefen zu fallen. Sie schritt durch Pforten und Triumphbogen, die gotischen oder romanischen Baudenkmälern glichen, und stieg in tiefliegende Verliese, in denen es ihr eisig kühl entgegenwehte. Sie fand, daß sich die bläulichen Disteln und
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