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Der Aufstand Der Ungenießbaren

Der Aufstand Der Ungenießbaren

Titel: Der Aufstand Der Ungenießbaren
Autoren: Edo Popovic
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Zweites Kapitel
    Der Mann mit dem Pflaster über dem Mund – Namen und T-Shirts – Jäger in der Taiga, der König vom Orion – Die Ungenießbaren töten wieder – Kieselsteine im See – Menschen sind kein Wasser
    Ach, die Zukunft, die Zukunft, sie ist doch nur eine statistische Wahrscheinlichkeit, sagte Gärtner, während er die hintere Tür des Autos, das am Waldrand stehen geblieben war, öffnete.
    Er zog einen Mann mit schwarzem Anzug, leuchtend weißem Hemd und gewienerten schwarzen Schuhen unsanft aus dem Auto. Die Hände des Mannes waren auf dem Rücken gefesselt, er hatte ein Pflaster über dem Mund, mit hervortretenden Augen starrte er Gärtner an, schüttelte den Kopf und grummelte etwas.
    Ich verstehe dich nicht, sagte Gärtner, du hast da was auf dem Mund kleben. Obwohl, er zeigte mit seinem Kopf in Richtung Auto, sie sagt, dass man auch mit geschlossenem Mund und zugeschnürter Kehle sprechen kann. Weißt du, sie liest allerhand Bücher und erzählt alles Mögliche … Aber jetzt lass uns an die Arbeit gehen.
    Sie gingen den Waldweg entlang. Es war spät am Nachmittag. Unter ihren Schuhen knirschte der Kies. Am klaren hellblauen Himmel über den Wipfeln der Eichen hingen blasse, verwischte Wolken. Der Wind rauschte in den Blättern. In einer Baumkrone zwitscherte eine Amsel ihr Liebeslied. Ein Vogel kreischte beunruhigt im Dickicht auf. Die Luft war schwer und klebrig. Sie blieben auf einer Lichtung stehen, die von den riesigen Blättern der Wasserklette gesäumt war.
    Ein feines Plätzchen, um sich zu unterhalten, was denkst du?, fragte Gärtner.
    Der Mann versuchte nicht einmal, etwas zu sagen. Auch die metallblau schimmernden Käfer auf der Wasserklette schwiegen, sie knabberten nur an den Blättern, ohne sich um die beiden zu kümmern.
    Jetzt mal im Ernst, warum zieht ihr euch alle so an?, musterte Gärtner sein Gegenüber. Diese dunklen Anzüge, weiße Hemden aus vermutlich antibakteriellen Fasern … Ich beobachte Typen wie dich in Cafés, ihr trinkt alle, aber wirklich alle koffeinfreien Kaffee und stilles Wasser, ihr raucht nicht … Für mich seht ihr alle gleich aus … Und überhaupt, wer bist du eigentlich, er riss ihm das Pflaster vom Mund.
    Der Mann leckte sich über die Lippen und sah sich um.
    Ich heiße Ivo Pavi ć , sagte er schließlich, aber das weißt du doch bestimmt.
    Woher sollte ich wissen, wer du bist?, fragte Gärtner.
    Ich glaube nicht, dass ihr mich völlig wahllos verschleppt habt.
    Gärtner sah ihn gleichgültig an.
    Ivo Pavi ć , sagte er. Bist du als Ivo Pavi ć geboren?
    Ja, sagte der Mann verunsichert.
    Du lügst, Gärtner drehte ihn grob um und nahm ihm die Handschellen ab. Zieh dich aus.
    Pavi ć sah ihn stumm an. In den Falten um seinen Mund und in seinen Augen flackerte eine Mischung aus Wut, Hass und Ohnmacht. Dann stürzte er sich auf Gärtner, gebeugt und mit ausgestreckten Armen. Gärtner wich zur Seite und traf ihn mit seiner Faust hinter dem Ohr. Pavi ć schwankte, blieb aber auf den Beinen.
    Du bist gut, sagte Gärtner, du trainierst bestimmt viel im Fitnessstudio. Pavi ć stand da und zögerte.
    Was ist, fragte Gärtner, willst du dich mit mir schlagen oder dich endlich ausziehen?
    Pavi ć begann sich auszuziehen.
    Nackte Haut, nur weiße, leere Haut, sagte Gärtner und ging um ihn herum. Ich sehe nicht, dass da irgendwo Ivo Pavi ć oder etwas Ähnliches geschrieben steht. Wer bist du?
    Ich verstehe nicht.
    Spreche ich etwa mit geschlossenem Mund?
    Was willst du von mir?
    Wer bist du? Auf deinem Mantel steht Hugo. Bist du Hugo?
    Nein.
    Warum trägst du dann einen Mantel, auf dem der Name steht?
    Pavi ć sagte nichts.
    Weißt du nicht, dass Namen nur T-Shirts sind, dass du sie an- und ausziehen kannst, wie es dir beliebt.
    Was willst du von mir?
    Wer bist du, wenn wir jetzt mal den Namen auf dem Mantel vergessen?
    Pavi ć seufzte.
    Weiß ich nicht, sagte er.
    Natürlich weißt du es nicht, sagte Gärtner zufrieden. Aber dafür weiß ich, wer du bist. Hör mal zu, wenn du all diese Dinge, an die du dich so klammerst, ablegst, bist du nichts. Vor deiner Geburt warst du nichts. Und genauso wie wir alle bist du nur geboren worden, um in das Nichts zurückzukehren.
    Du willst mich doch wohl nicht umbringen?
    Volltreffer, mach dir keine Sorgen.
    Nicht seine Worte, sondern der Gesichtsausdruck von Gärtner verriet, was er vorhatte. Und Pavi ć sank auf die Knie.
    Bitte nicht, er faltete seine Hände wie zum Gebet, ich habe dir nichts getan, ich habe niemandem
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