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Herrn Chabres Kur

Herrn Chabres Kur

Titel: Herrn Chabres Kur
Autoren: Emile Zola
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wegrührte, sich nicht zwischen die Felsenspalten wagte – auch behinderten ihn seine Stiefel, die voll Wasser waren – und sein Netz nur auf dem Sande auswarf, aber er fing Krabben – oft zehn auf einmal. Sie flößten ihm eine schreckliche Angst ein, und er schlug sich mit ihnen förmlich herum, um sie wieder aus seinem Netze zu vertreiben. Alle Augenblicke wendete er sich, um Ausschau zu halten, ob die Flut noch immer fiel.
    »Sind Sie sicher, daß die Ebbe noch anhält«, fragte er Hektor. Dieser nickte nur, er war ganz von seiner Fischerei in Anspruch genommen, und da er die richtigen Plätze genau kannte, füllte er bei jedem Zug sein Netz mit Garnelen, seinen Fang aber leerte er größtenteils in Stellas Korb; sie lachte, blinzelte nach ihrem Mann hin und legte den Finger an die Lippen. Hektor konnte sich nicht satt an ihr sehen, sie sah zu reizend aus, wenn sie ihr blondes Köpfchen neugierig über ihr Netz beugte, um zu sehen, was sie gefangen. Eine Brise zersprühte das Wasser, das aus dem Netz träufelte, und übertaute sie ganz, und ihr feuchtes Gewand, das sich eng um ihre Glieder schmiegte, ließ die Feinheit ihrer Gestalt voll zur Geltung kommen. Sie fischten schon an die zwei Stunden, als Stella endlich einen Augenblick innehielt, denn sie war vor Eifer ganz atemlos. Um sie her dehnte sich noch immer die ungeheure Sandwüste im tiefsten Frieden, nur das Meer erschauerte leise. Der Himmel spannte sich blaßblau, und die Sonne brannte glühend herab, indes fühlten sie die sengenden Strahlen kaum, weil vom Wasser ein erfrischender Hauch aufstieg. Stella blickte um sich und mußte lachen, denn auf Felsen und Riffen, die sich klar am Horizonte abhoben, wimmelte es von schwarzen Punkten – es waren Garnelenfischer wie sie –, sie waren nicht größer als Ameisen, und doch konnte Stella jede ihrer Bewegungen deutlich wahrnehmen; es war komisch, wie in diesem ungeheuren Raume diese Zwerglein geschäftig taten, wie sie die Netze mit gestreckten Armen auswarfen, den Rücken krümmten und den Fang heraufzogen und mit Armen und Füßen, die wie Mückenbeinchen anzusehen waren, herumruderten.
    Stella scherzte darüber, als ihr Mann plötzlich einen Angstschrei ausstieß und rief: »Das Wasser steigt, der Felsen dort ist schon halb bedeckt, schauen Sie nur...«
    »Natürlich steigt es«, versetzte Hektor, »da ist der Garnelenfang am ausgiebigsten.«
    Aber das war dem biederen Herrn Chabre gleichgültig, überhaupt hatte er die ganze Fischerei schon satt, besonders da er eben mit seinem Netze einen Meerteufel, über den er sich nicht wenig entsetzte, herausgezogen hatte.
    »Gehen wir, gehen wir«, rief er ein ums andere Mal, »es hat doch gar keinen Sinn, länger zu bleiben und sich der Gefahr auszusetzen.«
    »Aber du hörst doch, daß man bei steigender See am meisten fängt«, sagte Stella.
    »Und sie steigt tüchtig«, flüsterte Hektor mit ein bißchen boshafter Freude zu.
    In der Tat, die Wogen kamen rauschend herangerollt, schlugen hoch an die Felsen und bedeckten sie immer mehr. Siegreich wie ein Eroberer nahm das Meer wieder Besitz von seinem alten Reiche. Stella aber kümmerte sich nicht um die rauschenden, steigenden Wasser, sie hatte ein Plätzchen entdeckt, wo unter langem, haarartig weichem Grase riesengroße Garnelen eingebettet waren, und wollte um keinen Preis weichen.
    »So bleibe«, rief Herr Chabre, dem das Weinen nahe war, »ich für meine Person gehe, denn es hat gar keinen Sinn, daß wir alle zugrunde gehen sollen!«
    Und er machte sich sofort auf. Mit Hilfe seiner Netzstange tastete er den Boden ab, denn er fürchtete, in eine Untiefe zu geraten, und kämpfte wie ein Verzweifelter gegen die Strömung.
    Endlich bewog Hektor die junge Frau, Herrn Chabre zu folgen.
    »Die Flut steigt tüchtig«, sagte er lächelnd, »sie wird uns bis an die Achseln reichen. Ein richtiges Bad für Herrn Chabre. Sehen Sie nur, wie er immer tiefer und tiefer einsinkt!«
    Hektor war heute fest entschlossen, der schönen Stella eine Liebeserklärung zu machen, allein es gebrach ihm an Mut, und er ärgerte sich über seine Schüchternheit. Zwar hatte er es versucht, wenn er sein Netz voll Garnelen in Stellas Körbchen leerte, ihre Hand zu berühren, aber er hatte noch kein Wort gewagt. Auch war ihm heute zum erstenmal des Gatten Gegenwart lästig, und es wäre ihm beinahe erwünscht gewesen, wenn der gute Herr Chabre ertrunken wäre.
    »Die Flut ist sehr reißend, gnädige Frau«, sagte er, »Sie würden
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