Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Inspector Alan Banks 10 In einem heißen Sommer

Titel: Inspector Alan Banks 10 In einem heißen Sommer
Autoren: Peter Robinson
Vom Netzwerk:
* Prolog
    August 1967
     
    Es war der Summer of Love. Ich hatte gerade meinen Mann unter die Erde gebracht, als ich zum ersten Mal zurück zu dem Stausee fuhr, der das Dorf meiner Kindheit überflutet hatte.
      Ich unternahm diese Fahrt nur wenige Monate, nachdem Ronald und ich von einem unserer häufigen langen Auslandsaufenthalte zurückgekehrt waren, die mir viele Jahre gut gefallen hatten. Auch Ronald hatte mir gut gefallen. Er war ein anständiger Kerl und ein guter Ehemann, gewillt zu akzeptieren, dass unsere Ehe aus Bequemlichkeit geschlossen worden war. Ich glaube, er sah in mir einen Pluspunkt für seine Karriere als Diplomat, obwohl es sicherlich weder blendende Schönheit noch funkelnder Verstand war, die ihn für mich einnahmen. Doch ich war vorzeigbar und intelligent, überdies konnte ich ausnehmend gut tanzen.
      Wie auch immer - bald ging mir die Rolle der Gattin eines rangniederen Diplomaten in Fleisch und Blut über. Sie schien mir ein geringer Preis zu sein. In gewisser Weise war ich für Ronald der Schlüssel zu beruflichem Erfolg und Aufstieg und er ermöglichte mir - obwohl er es nicht wusste - Flucht und Abstand. Ich heiratete ihn, weil ich wusste, dass wir weit weg von England leben würden, und ich wollte so weit weg wie möglich von England sein. Jetzt, nach mehr als zehn Jahren im Ausland, ist das nicht mehr so wichtig. Es reicht mir nun, den Rest meiner Tage in der Wohnung in Belsize Park zu verbringen. Außerdem hinterließ mir Ronald, der immer klug investiert hatte, eine ansehnliche Geldsumme. Auf jeden Fall genug, um die nächsten Jahre ein sicheres Auskommen zu haben und mir einen neuen Sportwagen von Triumph zu leisten. Einen roten. Mit Radio.
      Und so sang ich zu »All You Need is Love«, »Itchycoo Park« und »See Emily Play«, lauschte den vereinzelten Kurznachrichten über den Mord an Joe Orton und die Schließung der Piratensender vor der Küste, als ich zum ersten Mal nach über zwanzig Jahren zurück nach Hobb's End fuhr. Aus unerklärlichem Grund gefiel mir die rohe, schlichte, sentimentale neue Musik, die die jungen Leute jetzt hörten, obwohl ich Anfang vierzig war. Wenn ich ihr lauschte, sehnte ich mich danach, wieder jung zu sein: jung, doch ohne die Erschwernisse meiner eigenen Jugend; jung, doch ohne den Krieg; jung, doch ohne den Kummer; jung, doch ohne Schrecken und Blut.
      Nachdem ich vor Skipton die Hauptstraße verlassen hatte, sah ich kein anderes Auto mehr. Es war ein Sommertag wie aus dem Bilderbuch: Die Luft roch süß nach geschnittenem Gras und Wildblumen. Ich bildete mir ein, sogar die warmen Ausdünstungen der Trockenmauern riechen zu können. Wie geschliffene Granate glänzten die Beeren an den Ebereschen. Über den Wiesen stiegen Kiebitze auf und ließen sich von der Luft tragen, Schafe blökten kläglich in den fernen Tälern. Die Farben waren so kräftig - das Grün grüner als je zuvor, das Blau des Himmels wolkenlos und strahlend klar.
      Nicht weit hinter Grassington verfuhr ich mich. Ich hielt an und erkundigte mich bei zwei Männern, die eine Trockenmauer reparierten. Seit langer Zeit hatte ich den typischen breiten Dialekt der Yorkshire Dales nicht mehr gehört, so dass er zunächst fremd in meinen Ohren klang. Schließlich verstand ich sie jedoch, bedankte mich und fuhr weiter. Sicherlich zerbrachen sich die beiden den Kopf über die seltsame Dame mittleren Alters mit der Sonnenbrille, der Popmusik und dem schnittigen roten Sportwagen.
      Die alte Straße endete am Waldrand, so dass ich aussteigen und den Rest des Weges zu Fuß über einen gewundenen Trampelpfad zurücklegen musste. Wolken von Mücken summten über mir, Zaunkönige raschelten im Unterholz und Blaumeisen hüpften von Zweig zu Zweig.
      Dann lag der Wald hinter mir und ich stand am Ufer des Stausees. Mein Herz begann zu klopfen, ich musste mich gegen einen Baum lehnen. Die Borke fühlte sich rau an. Mein heißer Kopf und die kribbelnden Finger ließen mich kurz befürchten, ich würde ohnmächtig werden. Aber das Gefühl ging vorüber.
      Natürlich hatte es hier auch früher schon Bäume gegeben, aber nicht so viele, und die meisten hatten nördlich des Dorfes im Wald von Rowan Woods gestanden. Als ich hier gelebt hatte, war Hobb's End ein Dorf in einem Tal gewesen. Jetzt blickte ich auf einen waldgesäumten See.
      Die vollkommen bewegungslose Wasseroberfläche spiegelte die Bäume und von Zeit zu Zeit eine vorbeifliegende Möwe oder Schwalbe. Rechts von mir
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher