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Herrn Chabres Kur

Herrn Chabres Kur

Titel: Herrn Chabres Kur
Autoren: Emile Zola
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Herrn Chabres Kur
    Herr Chabre haderte mit dem Schicksal, weil seiner Ehe der Kindersegen versagt blieb.
    Er hatte ein schönes achtzehnjähriges Mädchen geheiratet und harrte nun seit vier Jahren mit steigender Ungeduld und Herzensangst auf den Erben seines Namens und Vermögens.
    Herr Chabre war ehemals Getreidehändler gewesen und hatte ein bedeutendes Vermögen zusammengerafft; er hatte sich aber auch weder Ruhe noch Rast gegönnt, er hatte niemals auch nur die harmlosesten Vergnügungen anderer junger Männer mitgemacht, er war nur von dem einzigen Gedanken beseelt, Millionär zu werden!
    Mit einer Rente von fünfzigtausend Francs hatte er sich endlich ins Privatleben zurückgezogen, die schöne Stella geheiratet und wunderte sich nun nicht wenig, daß es leichter sein sollte, ein Vermögen zu erwerben, als Vater zu werden.
    Herr Chabre zählte erst fünfundvierzig Jahre, aber trotz seines tugendhaften Lebenswandels sah er fast greisenhaft aus. Seine Beine waren schwer und steif, und sein Gesicht, das übrigens vollkommen nichtssagend war, sah von den fortwährenden Geschäftssorgen völlig grau und verwittert aus.
    Frau Chabre dagegen war entzückend schön, üppig und doch schlank, war ihre Gestalt von bewundernswerter Biegsamkeit. Ihr Haar war wie leuchtendes Gold und ihre blauen Augen so unergründlich tief und träumerisch wie ein Bergsee. Ihr blütenweißer Teint, ihre roten Lippen waren bewundernswert, ihr ganzes Wesen atmete Jugendfrische, und wenn ihr Mann über ihre Kinderlosigkeit klagte, antwortete sie bloß mit einem feinen Lächeln, das zu sagen schien: »Meine Schuld ist's nicht.«
    Allein ihre Tugend war ebenso makellos wie ihre Schönheit, und selbst die bösesten Zungen wußten ihr nichts Übles nachzusagen. Sie war von einer strengen Mutter in gut bürgerlichen, ehrbaren Anschauungen erzogen, auch zur Frömmigkeit angehalten worden und war ihrem Manne eine treue Gattin, nur hätte vielleicht einen andern als einen ehemaligen Getreidehändler das nervöse Zittern ihrer feinen Nasenflügel ein wenig beunruhigt.
    Herr Chabre hatte häufige Unterredungen mit seinem Hausarzt, Doktor Guiraud, der ein lustiger und kluger Mann war.
    Er gab lächelnd zu, daß die Wissenschaft noch weit zurück sei und man leider ein Kind nicht wie ein Bäumchen pflanzen könne, aber man dürfe nicht verzagen; Doktor Guiraud versprach seinem Patienten, über den Fall besonders nachzudenken, und richtig – es war gerade ein wundervoller Julitag – kam er mit einem Vorschlag.
    »Wissen Sie was, mein lieber Freund, Seebäder würden Ihnen ganz ausgezeichnet bekommen, aber besonders empfehle ich Ihnen viel Schaltiere zu essen, ja sogar, diese Ihrer ausschließlichen Nahrung zu machen.«
    »Wirklich«, rief Herr Chabre hoffnungsfreudig, »glauben Sie wirklich, daß Schaltiere nützen?«
    »Jawohl, die Kur hat schon wiederholt glänzende Erfolge gehabt. Doch Sie müssen sich streng daran halten und täglich möglichst viel Austern, Seekrebse, Seespinnen, Langusten und anderes Getier, an dem es am Meeresstrand nicht mangelt, essen.«
    Herr Chabre war sofort bereit, sich der Kur zu unterziehen und ins Bad zu reisen.
    »Ja«, sagte der Doktor, »gehen Sie sobald als möglich. Aber«, fügte er, als er sich verabschiedete, lässig hinzu, »wählen Sie keinen zu einsamen Ort, ein wenig Zerstreuung wird Ihrer Frau nicht schaden. Ich empfehle Ihnen Trouville, dort ist die Luft ausgezeichnet.«
    Mit der Badereise war Herr Chabre einverstanden, aber nach Trouville wollte er nicht. »Schaltiere kann ich überall am Strande essen, man braucht darum noch in kein Modebad zu gehen, was ein Heidengeld kostet«, sagte der ehemalige Getreidehändler, der ein wenig geizig war. Ja, er äußerte die Ansicht, daß es in den wenig besuchten Plätzen naturgemäß mehr und billigere Schaltiere geben müsse; Zerstreuungen gebe es überall nur zu viele, und schließlich handele es sich ja um keine Vergnügungsreise!
    Ein Freund hatte ihm einen kleinen Strandort namens Pouliguen bei Saint-Nazaire empfohlen, und nach zwölfstündiger Fahrt erreichten sie letztgenanntes Städtchen. Die schöne Stella fand es ungeheuer langweilig mit seinen neuangelegten geradlinigen Straßen, an denen noch gearbeitet wurde. Die am Strande gelegenen Villen waren alle in grellen Farben geschmacklos bemalt, und Stella war froh, als sie vernahm, daß alle schon an Ausländer vermietet waren und sie nun nicht in dem ihr unsympathischen Orte verweilen mußte.
    Sie begaben
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