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Blaues Gift - Almstädt, E: Blaues Gift

Titel: Blaues Gift - Almstädt, E: Blaues Gift
Autoren: Eva Almstädt , luebbe digital
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Prolog
 
    D ie Ostseefähre Peer Gynt hatte mit einer halben Stunde Verspätung in Travemünde abgelegt. Ihr Fahrtziel war das schwedische Trelleborg. Als die Fähre den freien Seeraum erreicht hatte, wurde wie gewöhnlich der Autopilot eingeschaltet. Der Kapitän zog sich in seine Kabine zurück, und Ulf Jepsen, der Rudergänger, verblieb zusammen mit dem Wachoffizier allein auf der Brücke. Um die verlorene Zeit wieder aufzuholen, betrug die Geschwindigkeit der Peer Gynt zu diesem Zeitpunkt über 20 Knoten.
    Jepsen überwachte die vor ihnen liegende Ostsee mit dem Fernglas. Ruhig und glatt wie ein Ententeich sah sie heute aus. Eine geschlossene Wolkendecke erstreckte sich bis zu dem kaum auszumachenden Horizont, Himmel und Meer verschwammen grau in grau.
    Er gähnte verstohlen. Die zwei Becher starken schwarzen Kaffees zeigten keinerlei Wirkung. Oder doch? Ein scharfer Stich unterhalb des Brustbeins kündigte heftige Magenkrämpfe an. Schmerzen, die sich so anfühlten, als würden seine Eingeweide mit einem elektrischen Fleischmesser attackiert. Jepsen legte das Fernglas aus der Hand und presste sich die Faust in den Bauch, um nicht laut aufzustöhnen.
    Dann bemerkte er, dass der Wachoffizier ihn mit spöttisch hochgezogener Augenbraue beobachtete, und er nahm mit zusammengebissenen Zähnen das Glas wieder zur Hand. Der blöde Kerl! Letzte Woche hatte er sich bereits zweimal wegen Magenbeschwerden krankmelden müssen, ein weiterer Ausfall war einfach nicht drin.
    Als er sich wieder unbeobachtet fühlte, zog Jepsen ein Tütchen Maaloxan, einen Magensäurebinder, aus der Tasche. Er riss den oberen Streifen an der perforierten Linie mit den Zähnen ab, spuckte das abgetrennte Stück Papier in seine hohle Hand und hielt sich die Tüte mit der geöffneten Seite an den Mund. Mit Daumen und Zeigefinger quetschte er den körnigen Inhalt in seine Mundhöhle, schloss die Augen, schluckte und stellte sich vor, wie das Zeug die Speiseröhre hinunterglitt und einen schützenden Film auf seine malträtierten Magenwände legte. Die Krämpfe ließen fast augenblicklich nach. Er atmete auf und schob das leere Tütchen verstohlen in seine Hosentasche.
    Mittlerweile hatte leichter Sprühregen eingesetzt, der die fast umlaufende Glasfront auf der Brücke mit feinsten Tröpfchen benetzte und die Sicht enorm verschlechterte. Ulf Jepsen kniff die Augen zusammen. Eine knappe Seemeile voraus befand sich etwas auf dem Wasser, das er vorher noch nicht bemerkt hatte: ein heller Fleck. Alarmiert kontrollierte er die Radarschirme. Da war ein schwacher Schatten auf dem Schirm zu erkennen, der sich backbords der Fähre näherte. Jepsen griff wieder zum Fernglas.
    Der Fleck dort unten auf dem Wasser sah aus wie eine mittelgroße Segeljacht. Sie schien ganz plötzlich aus dem Nichts aufgetaucht zu sein.
    Die Besatzung der Jacht hatte keine Segel gesetzt, daher musste sie der Ostseefähre, die sich von steuerbord näherte, Vorfahrt gewähren. So weit, so gut – die Situation gefiel dem Rudergänger trotzdem nicht. Er beobachtete, wie das Schiff in gleicher Peilung seine Fahrt fortsetzte und auch seine Geschwindigkeit beibehielt. Schliefen die dort unten, oder waren sie betrunken?
    »Siehst du das Boot da vorn? Die rühren sich überhaupt nicht. Wollen die in ihrem lütten Kahn absaufen?«, rief er dem Wachoffizier zu. Die Panik in Jepsens Stimme entlockte dem ersten Wachoffizier zunächst ein mildes Lächeln. Doch kurz darauf kam Leben in den Mann. Er stieß einen leisen Fluch aus und startete unverzüglich einen UKW-Anruf. Dann funkte er den Kapitän der Fähre an, sofort zurück auf die Brücke zu kommen. Als von dem Segelschiff keine Reaktion erfolgte, griff er nach dem Typhon, um die Besatzung des Bootes akustisch auf die drohende Gefahr aufmerksam zu machen.
    Ohne Erfolg. Mit wachsender Unruhe beobachtete Jepsen, wie seine kurzzeitige Unaufmerksamkeit in eine lebensbedrohliche Situation mündete. Die Jacht bewegte sich weiterhin auf die Peer Gynt zu und würde mit der Fähre kollidieren, wenn nicht einer von ihnen sofort den Kurs änderte.
    Der Wachoffizier zögerte nicht länger, er veranlasste ein Manöver des letzten Augenblicks. Er befahl dem Rudergänger, sofort wieder das Handruder zu besetzen, und die Fähre drehte hart nach steuerbord weg.
    »Was zum Teufel geschieht da unten?«, hörte Ulf Jepsen den hinzueilenden Kapitän in schneidendem Tonfall fragen. Aus unerfindlichen Gründen schien die Jacht nun mit einem Mal ebenfalls nach
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