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Herr der Moore

Herr der Moore

Titel: Herr der Moore
Autoren: Kealan Patrick Burke
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gemein behandelt … und wenn, legtest du es darauf an, du verzogener Bengel!«
    Die Männer rührten sich.
    Neil grinste immer noch. »Lauf lieber, Schwesterchen, so weit dich deine Füße tragen, denn für mich bist du jetzt nichts weiter als Fleisch .«
    In diesem Moment stieß Grady sie von sich und brüllte »Los!«, gleichzeitig, da er das Gewehr anlegte und feuerte. Es gab einen dumpfen Knall, als schlage ein Pfeil in einen Baumstamm, und Campbell drehte sich im Kreis. Er taumelte, während seitlich Blut aus seinem Hals spritzte.
    Kate rannte und war geschwind aus dem Lichtkreis verschwunden. Schon sah sie niemand mehr, und da es in Gradys Ohren nach dem Schuss pfiff, kam ihm ihre Flucht eigentümlich leise vor, als wandle er in einem Traum. Mein Kind , dachte er stolz und lud hektisch nach, während sich die Männer von ihm abwandten und ihren strauchelnden Gefährten beobachteten, der den Blutsturz aus seiner klaffenden Halswunde stillen wollte.
    Dann verwandelten sie sich. Es wirkte, als gieße jemand siedendes Wasser über Skulpturen aus Eis. Noch standen sie reglos und blass im Halblicht, doch in der nächsten Sekunde schlängelte Nebel zu ihren Füßen; sie kippten vornüber, wurden schlanker und länger, dunkler und heller zugleich, bis sie vor ihm krochen – unheimlich koordiniert wie Tiger, die ihre Beute umzingelten.
    Alle, außer Stephen, der Grady mit verschränkten Armen musterte.
    Die Hände des Dieners zitterten unbeherrscht; hilflos musste er die erste Patrone aus seinen Fingern gleiten und ins Gras fallen lassen. Schnell zog er eine andere hervor und blickte von der Munition zu den geschmeidigen Umrissen, die wie Öl auf ihn und seine Lampe zuströmten.
    »Komm schon, komm schon«, drängte er sich selbst und drückte die Kugel in die Kammer. Endlich. »So!«
    Sie langten nach seinen Beinen, ein Klicken und Hissen strapazierte die Ohren. Er zuckte zusammen und unterdrückte einen Schmerzensschrei, als links Krallen zustachen, tiefer und tiefer drangen, bis sie den Knochen trafen. Wärme lief an seinem Schienbein hinab, und ihm war, als fließe all seine Stärke in einem Bach dahin. Kurz darauf grapschten sie den linken Knöchel.
    Er schlug mit dem Handballen gegen die Patrone, dass sie hörbar einrastete. Dann nickte er triumphal und zielte auf die Erde.
    Er schien in einem Pfuhl aus Teer zu stehen. Sehnig schwarze Glieder griffen nach ihm; weiß leuchtende Augen schauten auf, enthoben sich dem Nebel und waren bald wieder verschwunden. Hektisch prüfte er noch einmal, ob er genau zielte. Sie umschwärmten ihn, und erneut schmerzte es. Ein Zerren, und etwas gab nach, dass er meinte, sein Bein stehe in Flammen. Er ließ sich nicht zum Schreien hinreißen und versuchte, sich zu entziehen.
    Es ging nicht.
    Er stand wie angewurzelt am Boden, ein Menschenbaum im Angesicht von Knochensägen. Gleich fällte man ihn.
    Sie werden mich langsam töten.
    Er dachte an seinen Sohn, an Kate und den Jungen, den er so sehr geliebt hatte. Dieser zerrte jetzt an ihm wie ein tollwütiges Tier, und Tränen füllten Gradys Augen.
    Eine der Kreaturen erhob sich aus dem Gewölk, reckte eine Pfote und wollte ihm ins Gesicht schlagen. Plötzlich flog etwas über ihren Kopf und traf Gradys Wange, plumpste hinab und rollte in seine Armbeuge.
    Es war seine Mütze. Fragend schaute er Stephen an, doch der bemerkte nur: »Wo du hingehst, wird es kalt sein.«
    Grady zog sie an und zupfte den Schirm zurecht, bis sie passend saß. Seltsamerweise fühlte er sich mit dem Stoff auf dem Kopf sicherer als allein mit dem Gewehr. Es musste mit liebgewonnener Gewohnheit zusammenhängen.
    Das Wesen vor ihm rückte dichter heran, und in dem Augenblick, da es seinen Bauch aufschneiden wollte, fragte sich Grady, ob es Neil sei. Er hoffte nicht; keine der Klauen, die ihn bedrängten, durfte dem Knaben gehören, und vielleicht schaute er ja bloß von irgendwo im Nebel aus zu, traurig und reuig sogar …
    »Etwas möchte ich dir noch mit auf den Weg geben«, kündigte er Stephen an. »Du bist dir des kleinen Missverständnisses nicht bewusst, hab ich recht?«
    »Ist dem so? Dann möchte ich es hören.«
    Grady sprach, ehe er das Gewehr mit einem Lächeln auf sich selbst richtete. Das dunkle Auge der Mündung starrte ihm glattweg ins Gesicht. Schließlich flüsterte er ein »Gott vergib mir« und packte den Lauf mit einer Hand, drückte ihn unters Kinn und langte nach unten, um den Abzug mit dem Daumen zu betätigen.
    Stephens entrüsteter
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