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Herr der Moore

Herr der Moore

Titel: Herr der Moore
Autoren: Kealan Patrick Burke
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haben.«
    »Ein Monster«, wiederholte sie, »egal in welcher Ausformung. Ein Mensch mit reinem Herzen kommt nicht einfach so vom rechten Weg ab, sondern tut es bewusst, und ich schätze, genau dies ist mit Ihnen geschehen. Die Welt kann genauso wenig für Ihr Handeln büßen, wie ich sie für mein eigenes zur Verantwortung ziehen darf. Tut mir leid, aber wir alle müssen früher oder später für unsere Sünden büßen, ob hier oder vor Gottes Gericht.«
    Er gab einen Laut von sich, der sich wahlweise als Lachen oder Seufzen deuten ließ. Sie war sich ungewiss, doch die Sehnen in ihrem Hals traten hervor, angespannt wie Seile unter einem Seidentuch. »Gottes Gericht.« Er schnaubte. »Sie möchten also in seiner Abwesenheit über mich urteilen? Ich bezahlte Sie, schenkte Ihnen ein Dach über dem Kopf, kümmerte mich um Ihre Belange und ließ Sie meine Kinder hüten, doch jetzt stellen Sie sich hin und verhängen ein Urteil über mich? Wie können Sie es wagen?«
    »Verzeihung«, entgegnete sie und machte sich darauf gefasst, Gewalt anzuwenden. »Ich wage es durchaus. Sie waren gut zu mir, doch wie es aussieht, hat es mit Ihren Wohltaten ein Ende, und ich lasse nicht zu, dass Sie den Kindern etwas antun.«
    Er richtete sich auf, während sein Blut weiter auf den Boden tropfte. Er war so blass geworden, als bestünde er aus Mondlicht. »Ich würde ihnen niemals etwas antun«, beteuerte er, »und auch Ihnen nicht, weil Sie diesen Verdacht hegen.«
    Er trat auf sie zu, da schien sich die Umgebung zu verändern, als habe ein Unsichtbarer hauchdünne Saiten von den Wänden bis zur Decke gespannt und das Zimmer zu einer übergroßen Harfe gemacht. Selbst das Licht durchdrang dieses Gitter nicht ungehindert.
    »Ich glaube, meinen Master gibt es nicht mehr«, bekannte Mrs. Fletcher. »Sie sind bloß ein Echo seiner Gewogenheit, ein zurückgelassener Schatten.«
    Sie atmete tief ein und hielt die Luft an, um sie lang gezogen auszustoßen. Dann ging sie ein paar Schritte weiter rückwärts auf die Tür zu. Ihre Augen hätten jede Regung, jedes Zucken seines Körpers bemerkt, da sie erwartete, das Biest werde seine Maske fallen lassen und sich wieder auf sie stürzen.
    »Gib mir das Gewehr, du Miststück«, blaffte Mansfield allzu menschlich und schnitt eine Fratze. Mrs. Fletcher schloss ein Auge, linste noch einmal genau über den Lauf und war am Ende zuversichtlich, ihn tödlich zu treffen. »Bitte vergeben Sie mir«, sagte sie, bevor sie feuerte. Der Knall übertönte seine Widerrede und auch alles andere.

    ***

    Wie naseweise Kinder drängte der Bodennebel in Schlieren hinter zerklüfteten Hügeln und buckligen Felsen hervor, um sich über dem Moor auszubreiten. Sternenlicht aquarellierte die regennassen Farne und ließ das Torfmoos fast ätherisch glühen. Der Mond hatte sich eine Wolkendecke vors Gesicht gezogen, die vereinzelt ein Blitz aufwühlte, und versagte den nackten Birken, ihre erhaben schlanken Figuren zu zeigen.
    Grady schüttelte den Kopf in banger Ehrfurcht. Kate wich langsam von dem Knaben zurück, den sie einst als Bruder angesehen hatte, und der Schock vertrieb alle Lebensgeister aus ihren Zügen.
    Die unbekleideten Männer im Halbkreis grinsten einander freudig an.
    Dann erhob Stephen wieder das Wort. »Neil, mich deucht, du bist dir deiner Position immer noch nicht bewusst. Du führst uns jetzt an, triffst also auch alle Entscheidungen. Willst du das Mädchen töten, so steht es dir frei, aber wenn ich dir einen Rat geben darf …«
    Neil nickte.
    »Ich würde sie am Leben lassen und sie zur Zucht verwenden.«
    Grady ging zu Kate und legte beide Hände auf ihre Schultern.
    Ihr Bruder erbleichte. »Zur Zucht? Sie ist doch … sie war meine Schwester.«
    »Exakt, sie war . Solche Beziehungen sind unerheblich geworden, zumal sie sowieso nie zu deinem Schlag gehörte. Weiber dienen der Fortpflanzung; der Mann jagt und streut seine Saat. So gestaltet sich der Lauf der Dinge.«
    Entgegen dieser Erklärung sah der Junge immer noch angewidert aus. Sehenden Auges betrachtete er Kate und verzog das Gesicht noch extremer. »Ich würde sie lieber töten.«
    »Dann ist es entschieden … wenn auch nicht eben zu unserem Besten.«
    Neil zögerte. Die Blicke der Umstehenden ruhten auf ihm, und Grady nutzte die Gelegenheit, um Zeit zu schinden. »Neil … weshalb tun Sie das?«
    Der Ekel schwand nicht aus dem Gesicht des Knaben, womit eines klar wurde: Wer oder was auch immer von ihm Besitz ergriffen hatte, war Grady
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