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0663 - Die Höllen-Lady

0663 - Die Höllen-Lady

Titel: 0663 - Die Höllen-Lady
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Der größte Teil der männlichen Dorfbevölkerung ging allabendlich zum Teufel.
    Genauer gesagt in die Kneipe dieses Namens, deren Eingangstür von einem großen, geschnitzten Teufelskopf geziert wurde. Die Bezeichnung kam nicht von ungefähr; Sid Amos, einst unter dem Namen Asmodis der Fürst der Finsternis, war schon des öfteren als recht unwillkommener Gast hier eingekehrt, und zudem war der Schloßherr von Château Montagne, Professor Zamorra, ein erklärter Feind der Höllenmächte. Auch er ging häufig zum Teufel, wenn er sich zwischen seinen zahlreichen Abenteuern in aller Herren Länder zwischendurch mal wieder im Château aufhielt, das am Berghang über dem Loire-Dorf errichtet worden war.
    »Das gibt einen Wein dieses Jahr«, sagte André Goadec und rieb sich zufrieden die Hände. »Ein prachtvolles Stoffchen… vielleicht sogar den Jahrhundert-Wein! Einen so herrlichen Sommer hatten wir doch schon lange nicht mehr…«
    Er war der größte Weinpächter auf Montagne-Land. Und er war Zamorras bester Weinlieferant - einen Teil der Pacht beglich er in Form von Naturalien, so daß sich die allmählich verstaubenden Flaschen in Zamorras Weinkeller ständig vermehrten. So viel Wein, wie Goadec lieferte, ließ sich überhaupt nicht trinken - höchstens saufen, und dafür war der edle Tropfen doch zu schade.
    Der alte Curd, »erst« seit etwa 35 Jahren im Ort und anerkanntes Original, tippte sich an die Stirn. »Warum lobst du deinen sauren Essig schon vor der Lese? Warte erst mal ab, vielleicht regnet’s noch so kräftig ‘rein, daß dir die Reben vom Hang gespült werden! Wäre doch das erste Mal seit tausend Jahren, daß wir nicht irgendwann doch die Schlauchboote und Taucheranzüge ‘rauskramen müßten. Schaut euch das hier an!« Er spreizte die Finger. »Seht ihr? Letztes Jahr sind mir schon Schwimmhäute gewachsen…«
    »Spinner!« ächzte Gérard Fronton, ehemaliger Fremdenlegionär und seiner Vorliebe für ein bestimmtes Schnäpschen wegen »Malteser-Joe« genannt. »Ich sehe keine Schwimmhäute!«
    »Dann schau ganz genau hin! Da!« Curd reckte ihm die Hand direkt vor die Augen. »Siehst du sie jetzt?«
    »Nee!« machte Malteser-Joe angestrengt. Währenddessen tastete sich Curds andere Hand vor und tauschte sein fast leeres gegen Frontons fast volles Weinglas aus.
    »Ich sehe immer noch keine Schwimmhäute«, knurrte Fronton. »Weißt du was, Alter? Du kannst… was zum Teufel ist das denn hier?« Entsetzt starrte er auf das vor ihm stehende Glas. »Hier spukt’s! Hier hat mir einer den Wein weggesoffen! Das warst doch du, Curd! Du willst mich hereinlegen! Mostache!«
    Der Wirt sah hinter seiner großen Theke auf.
    »Noch einen Schoppen und einen Malteser! Diese Halunken wollen meine Leber trockenlegen! Der Wein geht diesmal auf Curds Rechnung!«
    Die gesellige Runde lachte.
    »Ich bin ein armer Rentner«, protestierte Curd. »Ich habe kein Geld.«
    »Wozu brauchst du auch Geld?« grinste Goadec. »Du würdest es ja doch nur ausgeben.«
    »Aber nur für wohltätige Zwecke!« behauptete Curd sofort.
    »Als da wären?«
    »Zum Beispiel, um meine Leber mit Rotwein zu durchspülen.«
    »Also, wenn hier einer eine Leber hat, bin ich das, und die ist pulvertrocken!« grummelte Fronton. »Mostache, wo bleibt mein Schoppen und mein Malteser auf Curds Rechnung?«
    »Was ist denn daran wohltätig?« hakte Goadec inzwischen nach.
    »Na, stellt euch vor, wir würden plötzlich von Kannibalen überfallen«, gab Curd zu bedenken. »Wenn die uns auffressen, schmeckt die Leber weingetränkt gleich viel besser! Das nenne ich Wohltätigkeit!«
    »Kannibalen? Mann, die haben wir damals in der Legion zu Paaren getrieben«, spann Fronton sein Legionärsgarn. »Als wir in Afrika waren, und…«
    »Du warst auf Malta, hast du neulich erzählt!« griff Gaston Sasson ein.
    »Auch… Also, da war ein ganzes Dorf voller Kannibalen. Die hatten ein paar hübsche Studentinnen aus Paris einkassiert und wollten sie in den Kochtopf stecken. Unser Sergent meinte, das sollten wir nicht zulassen, weil, vernaschen könnten wir die Demoiselles viel besser und die hätten auch viel mehr Spaß dabei, als wenn sie von den Menschenfressern erhitzt würden. Also sind wir mit drei Mann in das Dorf und haben…«
    »… den Kannibalen ein ähnliches Märchen erzählt wie dieses, und da haben die sich totgelacht«, ertönte eine fröhliche Stimme von der Eingangstür her. Nicole Duval trat ein, gefolgt von ihrem Lebensgefährten Zamorra.
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