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Die irre Heldentour des Billy Lynn

Die irre Heldentour des Billy Lynn

Titel: Die irre Heldentour des Billy Lynn
Autoren: Ben Fountain
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Es geht los
    DIE MÄNNER DER BRAVO-SQUAD frieren nicht. Es ist Thanksgiving Day, peitschender kalter Wind und die Aussicht auf Graupel und Eisregen am späten Nachmittag, aber dank des endlos kriechenden Verkehrs an Spieltagen und der limousineneigenen Minibar sind die Bravos gut vorgeheizt. Fünf Jack & Coke sind vermutlich ein bisschen heftig, aber Billy braucht etwas Aufmunterndes nach der Szene in der Hotellobby, wo ihm rudelweise dankbare, aber überkoffeinierte Mitbürger mitten in seinen Kater gesprungen waren. Vor allem ein Mann hatte an ihm geklebt, ein bleiches, schwammiges menschliches Cremetörtchen, eingezwängt in gestärkte Jeans und überkandidelte Cowboystiefel. »Habe selber nie gedient«, hatte er gleich gestanden und dabei wild seinen extragroßen Starbucks-Becher geschwenkt, »aber mein Opa war in Pearl Harbor, der hat mir die ganzen Sachen erzählt.« Dann hatte er sich in einer ausschweifenden Suada über Krieg und Gott und Vaterland ergangen, und Billy hatte sie über sich ergehen lassen, hatte die Wörter durch sein Hirn wirbeln und schlingern lassen.

    Bei seinem Schweineglück kriegt er nachher im Texas Stadium bestimmt den Gangplatz, das heißt, die meiste Zeit wird ihn die Hauptangriffswelle solcher Begegnungen treffen. Ihm tut der Nacken weh. Er hat letzte Nacht kaum geschlafen. Jeder Schluck Whiskey-Cola reißt ihn tiefer ins Loch, dabei hatte der Anblick der Stretch-Limo, die ihretwegen am Hotel vorgefahrenkam, noch für ziemlichen Nervenkitzel gesorgt. Ein Schiff, dieser schneeweiße Hummer mit den sechs Türen auf jeder Seite und den getönten Scheiben für größtmögliche Intimität. »Na, was hab ich gesagt«, hatte Sergeant Dime gebrüllt und sich auf die Bar gestürzt, und alle hatten den ganzen schwülstigen Zuhälterpomp mit Johlen quittiert. Inzwischen hat Billy alle Hoffnung begraben, schnell wieder auf die Beine zu kommen, und versackt still für sich in einem arschsausenden Grummelzustand.
    »Billy«, sagt Dime, »du bist ja total weggetreten.«
    »Nein, Sergeant«, sagt Billy hastig. »Ich hab nur grad an die Dallas Cowboys Cheerleaders gedacht.«
    »Recht so.« Dime hebt sein Glas, dann lässt er beiläufig einen Satz in die Runde fallen: »Major Mac ist schwul.«
    Holliday jault auf. »Mann, Dime, der sitzt doch hier!«
    Major McLaurin sitzt tatsächlich auf der Rückbank und beobachtet Dime – mit der Emotionalität einer Flunder im Eisbett.
    »Der versteht aber kein verdammtes Wort von mir«, lacht Dime. Er dreht sich nach hinten und artikuliert im zerdehnten Tempo für Idioten: »MEHDSCHÖR ... MÄCK-LORRINN ... SIR! ... SAR-DSCHINT ... HOLLI-DAY ... HIER ... SAGT ... SIE ... SIND ... SCHWUL.«
    »Oah, Scheiße«, stöhnt Holliday auf, aber in den Augen des Majors funkelt es nur kurz und spitz, dann fährt er die Faust mit dem Ehering aus. Allgemeines Geheul.
    Die zehn Mann in diesem stinkfeinen Limousinenfond sind die acht noch übrigen Soldaten der Bravo-Squad, der Presseoffizier Major Mac und der Filmproduzent Albert Ratner, der wie üblich am BlackBerry oder einem anderen Handy hängt. Macht zusammen, der arme tote Shroom und der schwer verwundete Lake mitgerechnet, zwei Silver Stars und acht Bronze Stars, aber kein einziger der zehn Orden lässt sich nachvollziehbar erklären. »Und was haben Sie so gedacht bei dem Gefecht?«, hatte eine hübscheFernsehreporterin in Tulsa gefragt, und Billy hatte es versucht. Er hatte es weiß Gott versucht. Er versucht es unaufhörlich , aber immer wieder entgleitet und entwischt es, trudelt einfach weg, dieses Ding , dieses Es , dieses unaussprechliche Sonstwas.
    »Kann ich gar nicht genau sagen«, hatte er geantwortet. »Das war vor allem ein Gefühl, so wie im rasenden Verkehr. Da ist alles Mögliche explodiert, und die haben auf unsere Leute geschossen, und ich bin da einfach rein, richtig was gedacht hab ich eigentlich nicht.«
    Bevor die Schießerei losgegangen war, hatte Billy hauptsächlich Angst davor gehabt, Scheiß zu bauen. So gesehen ist das Leben in der Army ein Elend. Für jeden Scheiß, den man baut, wird man angeschrien, dann baut man noch mehr Scheiß und wird noch mehr angeschrien, aber über dem ganzen mickrigen, blöden, eigentlich logischen Kleinscheiß, den man so baut, hängt die allgegenwärtige Drohung, eines Tages einen solchen Riesenscheiß zu bauen, dass danach das ganze Leben im Arsch ist, und der geht so tief und ist so flächendeckend, dass er einem alle Hoffnung auf Erlösung zerschmettert. Ein
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