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Herr der Moore

Herr der Moore

Titel: Herr der Moore
Autoren: Kealan Patrick Burke
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Schrei begleitete ihn hinüber in die Vergessenheit.

30

    Kate geriet beim Laufen ins Stolpern und fiel, stand aber rasch wieder auf und rannte weiter. Schweiß stand auf ihrer Stirn, und ihr Atem ging in den aufsteigenden Nebel über, während sie stoßweise schluchzte und dabei mehr Luft einsog als aushauchte. Dennoch kam sie voran, ob über steinige Hügel und plätschernde Bäche, die bald einfrieren sollten, oder durch Talmulden und das Geflecht sterbender Bäume, die ihre Äste hängen ließen. Sie rutschte aus und stürzte erneut, wobei sie sich einen Ellbogen an Felsen aufschlug und vor Schmerz jaulte. Frustriert fluchend erhob sie sich wieder. Die Pistole in ihrer Hand wurde zur Last und kam ihr nutzlos vor.
    Ich hätte bei ihm bleiben sollen , dachte sie trübselig, wusste aber zugleich, dass Grady damit nicht geholfen gewesen wäre. Die Waffe war Makulatur und zum Einschüchtern vorgesehen, nicht zum Töten. Der Diener hatte ihr gezeigt, wie man sie führt, und Kate war eine recht treffsichere Schützin auf leere Blechbüchsen sowie Flaschen gewesen, sogar aus beträchtlicher Entfernung. Derlei Behältnisse waren jedoch keine Menschen. Sie besaßen keine Augen, die Blicke erwidern konnten und beobachteten, wie sie sich darauf vorbereitete, den reißenden Fluss zwischen Gut und Böse zu überqueren – hinüber ins Reich der Mörder. Nie hätte sie es fertiggebracht, jemanden umzubringen. Grady wäre vor ihren Augen erschossen worden, und sie hätte angelegt, gezielt und vielleicht auch abgedrückt, aber der Schuss wäre danebengegangen, weil sie nicht wirklich hätte treffen wollen. Kate war nicht zum Töten veranlagt, und deshalb glaubte sie ziemlich sicher, Grady zum Sterben zurückgelassen zu haben. Jetzt jagte ihr Bruder sie gemeinsam mit seinen neuen Brüdern, und selbst falls sie ihnen irgendwie entkam, würde die Schuld sie einholen, wo immer sie sich versteckte.
    Ein Schuss zerbarst die Stille hinter ihr. Sie drehte sich halb um, schluchzte wieder und blieb nicht stehen. Ihr Herz raste, der Puls klopfte an ihrem Hals.
    Als mehrere Schreie im Einklang durch die Nacht gellten, zauderte sie und hielt endlich inne. Wie gut tat es ihr, die Beine still zu halten … Sie horchte; waren es die Kreaturen, die da vor Pein brüllten? Sie hatte aber nur einen Schuss mitbekommen, und Grady konnte schwerlich gleich mehrere getroffen haben. Die Laternen leuchteten von fern wie Mäuseaugen, aber sie spielte trotzdem mit dem Gedanken, umzukehren. Sie fror, hing dem Licht nach und bildete sich ein, wie Grady siegesgewiss posaunte: Die Mistviecher sind hinüber, Kate. Kommen Sie zurück. Bei Gott, indem ich ihren Anführer tötete, starben sie alle!
    Leider wartete sie vergeblich auf diesen Ruf. Nach einer Weile, die ihr wie Stunden vorkam, erloschen die Lampen.
    Nun sah sie, wie die weißen Augen durch den Nebel brannten: Die Monster kamen sie holen.

    ***

    Sarah öffnete die Tür und kniff die Augen vor der Flamme von Mrs. Fletchers Fackel zusammen. »Wissen Sie, wie spät es ist?«
    »Nein, aber das ist nicht von Belang. Ich brauche Ihr Pferd.«
    »Was?«
    »Ihr Pferd. Ich will es borgen. Es gibt Ärger.«
    »Sind Sie verletzt?«, fragte Sarah noch halb im Schlaf, als sie die Blutflecke auf dem Rock der Frau sah. »Ich habe Verbandszeug hier, falls Sie …«
    »Um Himmels willen, das verfluchte Pferd, Weibsstück!«
    »Schon gut, immer mit der Ruhe«, beschwichtigte Sarah. Der Ausbruch hatte sie immer noch nicht vollends aus der Lethargie gerissen. »Mein Pferd ist nicht da. Ihr Kollege Grady und das Mädchen haben es genommen. Ich bat sie, nicht zu lange fortzubleiben. Denken Sie, dass …«
    »Sie müssen mitkommen«, gebot Mrs. Fletcher grob und packte die Wirtin am Ärmel. »Nehmen Sie eine Waffe mit … irgendeine, vielleicht das Gewehr Ihres Mannes, falls Sie es noch haben.«
    Sarah entzog sich. Nun war sie bei Sinnen und ereiferte sich. »Wie bitte? Sie haben mich gerade aus dem Bett geschmissen. Ich komme nirgendwohin mit.«
    Die Tagelöhnerin biss auf die Zähne und rückte Sarah so dicht auf den Leib, dass deren Augen groß wurden. »Und ob Sie das tun. Wir werden uns denjenigen vorknöpfen, der für den Tod Ihres Mannes verantwortlich ist.«
    Sarah wurde blass.

    ***

    Das Dorf ruhte, eingehüllt in einen Kokon aus labendem Unwissen. An jeder Tür handelten sie sich verschlafen-feindselige Blicke ein, da sie die herbe Wirklichkeit mitbrachten.
    Die Geschichte, die Mrs. Fletcher erzählte, begann jedes
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