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Mord im Garten des Sokrates

Mord im Garten des Sokrates

Titel: Mord im Garten des Sokrates
Autoren: Sascha Berst
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Erstes Buch
Tod eines Olympiasiegers
    Es war im Jahr der Herrschaft Alkibiades’ über Athen. Ich war zum zweiten Mal zum Hauptmann der Bogenschützen gewählt, als an einem heißen Tag kurz vor der Sommersonnenwende mein junger Liebhaber Lykon verschwitzt in mein Haus stürzte und atemlos berichtete, der Stratege lasse mich suchen, es sei etwas geschehen. Die Augen meines Weibes Aspasia blitzten grün auf. Sie war eifersüchtig auf Lykon und duldete ihn normalerweise nicht im Haus. Gleichwohl erhob sie sich von unserem Lager, wo wir gerade ein einfaches Mittagsmahl aßen, und brachte mir mein Gewand. Auch wenn sie Lykon nicht traute, ahnte sie doch, dass seine Aufregung nicht gespielt war, und wusste sie, es war ausgeschlossen, sich Alkibiades’ Befehl zu widersetzen und seinen Ruf zu überhören.
    Lykon ging voraus. Als ich vom großen Zimmer in den Innenhof trat, war ich kurz geblendet und die attische Hitze raubte mir den Atem. Unter dem Feigenbaum, den er selbst gepflanzt hatte, saß mein Vater und döste. Als ich näher kam, schlug er seine flinken Augen auf und winkte mir zu.
    «Ich muss zu meinem Herrn, er lässt mich rufen», sagte ich, und er verstand. Der Herr, sein Herr, war allerdings immer nur Perikles gewesen. Ihn verehrte er wie keinen anderen, denn ihm verdankte unsere Familie ihr Ansehen und Vermögen. Seine Bewunderung für Perikles ging einst so weit, dass er mich als seinen erstgeborenen und einzigen Sohn nach ihm benennen wollte. Wenn er davor im letzten Moment doch zurückschreckte, so nur deswegen, weil ihm der Plan schließlich zu vermessen schien. So trug ich denn in meinen ersten drei Lebensjahren den Namen Perikles, vom Tag des großen Tauffestes an aber, als ich endgültig in den Kreis der Familie aufgenommen wurde, den Namen Nikomachos, und meine Mutter berichtete, die Umstellung sei mir schwerer gefallen als alles andere, was ich als Kind lernen musste. Der Vetter meines Vaters, Raios, der Perikles gleichfalls verehrte – war er als Goldschmied doch zu noch größerem Vermögen gekommen als wir – hatte diese Skrupel nicht. Vater dreier Töchter, benannte er seine Erstgeborene ohne Bedenken nach Perikles’ zweiter Frau. So wurde also seine erste Tochter Aspasia genannt – keine andere als die Aspasia, die mich gerade mit einem verkniffenen und trockenen Kuss verabschiedet hatte, denn sie war meine Frau geworden – beinahe immer zu meinem Glück.
    Mein Vater hatte Perikles gedient und ihn geliebt. Jetzt diente ich Perikles’ Neffen, aber ich liebte Alkibiades nicht. Vielleicht bewunderte ich die Kühnheit, die er als Feldherr zeigte, aber noch mehr fürchtete ich seinen Zorn und seinen Wankelmut.
    Ich trat auf die Straße. Lykon wartete auf mich. Rechter Hand erhob sich der gewaltige Fels der Akropolis. Der Parthenon leuchtete in der gleißenden Sonne. Daneben thronte die Bronzestatue Athenes und blickte zum Meer, von wo aus die Fischer ihren goldenen Helm noch sehen konnten. Lykon und ich waren allein im Staub der Gassen. Die Hitze hatte die Athener in die Schatten der Häuser getrieben. Das schöne Gesicht meines jungen Freundes wirkte angespannt und beunruhigt.
    «Du wirst nicht auch eifersüchtig sein, wie mein Weib?», fragte ich. Er schüttelte den Kopf.
«Nein, ich mache mir nur Sorgen, was Alkibiades wohl von dir will», antwortete er und erzählte hastig, dass er einen Palastboten getroffen hatte, der um unsere Freundschaft wusste. Von ihm hatte er erfahren, dass Alkibiades überall nach mir suchen ließ. Er wollte mich sofort sehen. Es musste irgendetwas vorgefallen sein in der letzten Nacht. Vier Läufer seien unterwegs und durchkämmten die Stadt.
Wir lenkten unsere Schritte zum großen Marktplatz, zur Agora. Das war der schnellste Weg zum Strategion. Kaum hatten wir die engen Straßen des Töpferviertels verlassen, lag sie mit ihren Säulenhallen, Tempeln und Tribünen offen vor uns. Aber auch das Zentrum der Stadt lag verlassen in der Mittagshitze. Der Basar war verwaist, die Buden und Läden verbarrikadiert. Man sah nur ein paar Lebensmittelhändler, wie sie die Bastmatten, die ihre Ware bedeckten, fortlaufend mit Wasser benetzten, um sie zu kühlen, und vergeblich versuchten, sie vor dem Verderben zu bewahren. Immerhin, das Angebot an Lebensmitteln war ungeachtet des Krieges mit Sparta noch reich. Das war das Verdienst der Langen Mauern, die von der Stadt bis nach Piräus reichten und den Zugang Athens zu seinen Häfen sicherten.
Die ein oder andere Hand hob sich
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