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Sagen von der Alhambra (German Edition)

Sagen von der Alhambra (German Edition)

Titel: Sagen von der Alhambra (German Edition)
Autoren: Washington Irving
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Sage von des Mauren Vermächtniß
    Inmitten der Festung der Alhambra, vor dem königlichen Palast, ist eine breite, offene Esplanade, genannt der Platz der Cisternen (La Plaza de los Algibes) , weil sie von Wasserbehältern, die dem Auge verborgen sind und noch aus der Zeit der Mauren herstammen, untergraben ist. In der einen Ecke dieses Platzes ist ein maurischer Brunnen, der bis zu beträchtlicher Tiefe in den lebendigen Fels gehauen und dessen Wasser kalt ist wie Eis und klar wie Krystall. Die von den Mauren gebauten Brunnen sind stets in Ansehen; denn es ist bekannt, welche Mühe sie sich gaben, um zu den reinsten und besten Quellen und Brunnen durchzudringen. Der, von dem wir hier reden, ist in ganz Granada berühmt, da die Wasserträger, bald mit großen Wassergefäßen auf ihren Schultern, bald Esel mit irdenen Krügen beladen vor sich hertreibend, die steilen buschigen Zugänge der Alhambra vom frühesten Morgen bis zu später Abendstunde auf-und niedersteigen.
    Brunnen und Quellen sind, von den Tagen der heiligen Schrift her, in den heißen Himmelsstrichen als Plauderplätze bekannt, und an dem besagten Brunnen wird den lieben langen Tag von den Invaliden, den alten Weibern und anderem neugierigen und müßigen Volke der Festung ein ständiger Klub gehalten. Sie sitzen da auf den steinernen Bänken, unter einem Dache, mit dem der Brunnen überdeckt ist, um die Zolleinnehmer vor der Sonne zu schützen, und beschwatzen die Vorfälle der Festung und fragen jeden Wasserträger, der da kommt, über die Stadtneuigkeiten, und machen lange Betrachtungen über Alles, was sie sehen und hören. Es vergeht keine Stunde des Tages, daß man nicht zögernde Weiber und müßige Mägde mit dem Krug in der Hand oder auf dem Kopfe hier weilen sieht, um den Schluß des endlosen Gewäsches dieser würdigen Leute zu hören.
    Unter den Wasserträgern, welche einst zu diesem Brunnen kamen, war ein starker, breitschultriger, krummbeiniger kleiner Kerl, Namens Pedro Gil, den man jedoch der Kürze wegen Peregil hieß. Als Wasserträger war er natürlich ein Gallego oder Galicier. Die Natur scheint Geschlechter von Menschen, wie von Thieren, für verschiedene Arten von Plackerei geschaffen zu haben. In Frankreich sind alle Schuhputzer Savoyarden, alle Thürhüter Schweizer, – und in den Tagen der Reifröcke und des Haarpuders konnte Niemand eine Sänfte gehörig in Gang bringen, als ein langbeiniger Irländer. So sind in Spanien die Wasser-und Lastträger sämmtlich stämmige kleine Leute aus Galicien. Niemand sagt: »Schafft mir einen Träger«, – sondern: »Ruft einen Gallego«.
    Um von dieser Abschweifung zurückzukommen, Peregil, der Gallego, hatte sein Geschäft mit nichts als einem großen irdenen Krug angefangen, den er auf seiner Schulter trug; allmählig hob er sich in der Welt und war im Stande, sich einen Gehülfen von einer entsprechenden Klasse von Thieren anzuschaffen, – nämlich einen starken, zottelhaarigen Esel. Auf jeder Seite dieses langöhrigen Adjutanten waren in einer Art Korb seine Wasserkrüge, auf welchen Feigenblätter lagen, um sie vor der Sonne zu bedecken. Es gab keinen fleißigern Wasserträger in ganz Granada, und auch keinen fröhlichern. Die Straßen hallten von seiner lustigen Stimme wieder, während er seinem Esel nachtrabte und das gewöhnliche Sommerlied sang, das man in allen spanischen Städten hört: »Quien quiere agua – agua mas fria que la nieve?« – »Wer will Wasser – Wasser kälter als Schnee? Wer will Wasser vom Brunnen der Alhambra, kalt wie Eis und klar wie Krystall?« Wenn er einem Kunden das klare Glas darreichte, that er es stets mit einem freundlichen Worte, das zum Lächeln zwang, und wenn es vielleicht eine hübsche Dame oder eine schmucke Maid mit Grübchen in den Wangen war, geschah es nicht ohne ein schlaues Lächeln und ein Kompliment über ihre Schönheit, das unwiderstehlich war. So war Peregil der Gallego in ganz Granada als einer der höflichsten, lustigsten und glücklichsten Menschen bekannt. Allein Der hat nicht immer das leichteste Herz, der am lautesten singt und am meisten scherzt. Bei allem diesem vergnügten Aeußern hatte der ehrliche Peregil seine Noth und Sorgen. Er hatte einen großen Haufen zerlumpter Kinder zu ernähren, die hungrig und lärmend waren, wie ein Nest voll junger Schwalben, und ihn jeden Abend bei seiner Rückkehr mit ihrem Geschrei nach Brod umringten. Er hatte auch eine Gehülfin, aber er hatte nichts weniger als Hülfe von ihr. Sie
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