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Heirate keinen Arzt

Heirate keinen Arzt

Titel: Heirate keinen Arzt
Autoren: Robert Tibber
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Schlips ins Genick zu befördern und die Brille bis auf seine Nasenspitze zu schieben.
    Es schien bereits recht fröhlich zuzugehen, und ich machte die Runde bei meinen Gästen, von denen eine ganze Menge - Faradays Mitarbeiter - mir völlig unbekannt waren. Einer dieser Burschen fragte mich, ob ich wisse, wer der Gastgeber sei, und ich drückte ihm mein Bedauern aus, daß ich keine blasse Ahnung hätte.
    Eigentlich war ich heute dienstfrei, als ich aber Mrs. Little auf mich zustreben sah, nachdem zuvor das Telefon geläutet hatte, wußte ich sofort, daß es sich um Mrs. Collins handeln müsse.
    Ich hatte sie bereits zweimal im Laufe des Tages besucht und Trudi anbefohlen, mir sogleich Bescheid zu geben, falls es ihr schlechter ginge.
    »Das Mädchen hat am Telefon geheult«, sagte Mrs. Little, die heute in ihrem seidenglänzenden Staat kaum wiederzuerkennen war. »Sie hat gefragt, ob Sie gleich ’rüberkommen könnten.«
    »In fünf Minuten«, antwortete ich und rannte die Treppe hinauf, um den Kopf unter den kalten Hahn zu halten.
    Die Haustüre wurde mir von der Krankenpflegerin geöffnet, die ich vor mehreren Wochen hergeholt hatte, damit sie Mrs. Collins im Endstadium ihrer Krankheit zur Seite stehe.
    »Sie scheint seit der Injektion, die Sie ihr mittags gegeben haben, keine Schmerzen mehr zu haben, Herr Doktor«, berichtete sie, »aber vor kurzem hat sie das Bewußtsein wiedererlangt und nach Ihnen gefragt. Ich hätte Sie ja nicht gestört, wenn Sie’s mir nicht ausdrücklich aufgetragen hätten. Sie atmet unregelmäßig, und ihr Puls ist sehr schwach.«
    Mrs. Collins hatte das Bewußtsein inzwischen wieder verloren. Die langen Wochen des Leidens und der Schmerzen hatten sie jetzt völlig abgezehrt, und man sah ihre Backenknochen unter der gelblichen Haut durchschimmern. Ich faßte ihre Hand; sie war leicht wie die eines Kindes und wie knochenlos. Nach einer Weile verspürte ich einen Puls, der so leise ging, daß ich erst dachte, ich bilde ihn mir nur ein. Das Zimmer war still und bis auf den Schimmer eines Nachttischlämpchens dunkel, und in dessen grauem Schatten erkannte ich auf dem Toilettentisch ein winziges Christbäumchen, das Geschenk eines der Kinder, die sie mit ihren Geschichten erfreut hatte. Vor der Tür hörte ich die sonst so fröhliche Trudi schluchzen. Die Schwester zog sich eine graue Wolljacke um die Schultern und schraubte das Gasfeuer auf. Wieder fühlte ich Mrs. Collins den Puls, jetzt aber war er nicht mehr wahrzunehmen. Mit dem Stethoskop suchte ich einen Herzschlag aufzufangen, allein der zerbrechliche Rahmen gab keinen Ton des Lebens mehr von sich. Irgendwo ganz in der Ferne begannen die Glocken eine frohe Weihnachtsbotschaft auszusenden, und Trudi schluchzte lauter, als habe sie jenseits der Zimmertüre das lautlose Sterben vernommen.
     
    Vor meinem Hause stand Auto an Auto. Jemand hatte sogar quer über die Einfahrt geparkt, so daß ich nicht einmal in die Garage kommen konnte. Ich fuhr ein Stück weiter, um einen Parkplatz zu finden, und ging dann zu Fuß die paar hundert Meter zurück. Man hörte den Lärm sechs Häuser weit. Joe Morton war mit seinem Akkordeon in Schwung gekommen, und die kalte, schneidende Luft war erfüllt vom Lärm und Gelächter meiner Gäste. Als ich die Haustür aufschloß, schlugen mir Wärme und Fröhlichkeit ins Gesicht. Ich war nicht sicher, daß ich wieder den Anschluß an die ausgelassene Stimmung finden könnte, und schlüpfte ungesehen in mein Schlafzimmer hinauf, um einen Augenblick lang allein zu sein.
    Ich warf den Überzieher achtlos auf den riesigen Haufen Mäntel, die auf dem Bett lagen, und ging, ohne Licht zu machen, auf den danebenstehenden Lehnstuhl zu. Ein lauter Schrei ertönte, als ich mich hineinsetzen wollte - und auf etwas Weiches stieß.
    »Liebster, du tust mir weh!«
    »Sylvia! Was in aller Welt tust du hier?«
    »Mrs. Hume sagte, ich könnte schon heraufkommen.«
    »Ich meine nicht hier oben. Ich meine überhaupt hier. Wo ist Wilfred?«
    »Fort, auf Reisen.«
    »Aha!« entführ es mir, denn mir ging ein Licht auf.
    »Und da dachtest du, bis er wiederkommt, könntest du dich ein bißchen nach mir umsehen. Na, darüber wirst du gleich anderer Meinung werden, mein gutes Kind. Du kannst heimgehn und allein auf deinen Wilfred warten.«
    Sylvia entrollte sich aus ihrer zusammengeringelten Lage und stand auf.
    »Wenn du so denkst«, sagte sie.
    »Jawohl, das tu’ ich.« Im Halbdämmer sah ich, wie sie der Tür
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