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Heirate keinen Arzt

Heirate keinen Arzt

Titel: Heirate keinen Arzt
Autoren: Robert Tibber
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einer Beziehung sollte dieser Anlaß übrigens wichtig für mich sein. Abgesehen davon, daß es meine erste richtige Gesellschaft im eigenen Hause werden sollte, hatte ich beschlossen, Betty Hume einen Heiratsantrag zu machen. Zu diesem Beschluß war ich nicht plötzlich gekommen, er hatte sich vielmehr ganz allmählich während der letzten Wochen in meinem Unterbewußtsein gebildet, und als er die Bewußtseinsschwelle passiert hatte, fand ich, die Zeit sei gekommen, um zu handeln. Ich konnte zwar nicht ehrlich behaupten, daß ich wahnsinnig in Betty verliebt sei — oder überhaupt in sie verliebt war. Nach dem Erlebnis mit Sylvia war ich überzeugt, daß ich nie wieder dieses Gefühl der allüberströmenden Liebe einer anderen Frau gegenüber empfinden könne, und das, was ich für Betty empfand, war jedenfalls das zweitbeste. Sie war lieb, gütig, bedacht und mir zugetan, und wir kamen sehr gut miteinander aus. Je mehr ich darüber nachdachte, um so mehr schien sie mir eine ideale Frau für einen Arzt zu sein. Sie war allerdings älter als ich, aber, so sagte ich mir, es gab ja viele Ehen, in denen die Frau älter war als der Mann. Auch würde sie mir gleich einen Sohn mit in die Ehe bringen, aber auch das schien mir nichts so Schreckliches. Nach Sylvia kamen mir andere Mädchen, die gleichaltrig oder jünger waren als ich, albern und uninteressant vor, und ich würde glücklich, wenn auch nicht überglücklich mit Betty werden. In den langen Abenden vor ihrem Kaminfeuer hatten wir uns ganz gut kennengelernt, und wenn es sich auch nicht um eine große Leidenschaft handelte, so waren doch gegenseitiges Verständnis und aufeinander abgestimmtes Empfinden vorhanden. Soweit ich es beurteilen konnte, beruhten die besten Ehen hierauf. Auf alle Fälle hatte ich gründlich über die Angelegenheit nachgedacht und war zu dem Schluß gekommen, daß ich es so und nicht anders wünschte. Auf der Weihnachtsgesellschaft würde ich ihr also den Heiratsantrag machen, der ihrerseits bestimmt nicht auf Schwierigkeiten stoßen würde.
    Vergleiche zu ziehen war mir zwar zuwider, aber gleichwohl konnte ich, als mein Entschluß soweit gediehen war, nicht anders, als an den Tag zu denken, an dem ich Sylvia bat, meine Frau zu werden. Der Ort war freilich der denkbar sonderbarste gewesen.
    Wir hatten an einem sehr kalten und trüben Tag einen Spaziergang durch die Hampsteader Heide unternommen. Seit wir unterwegs waren, hatten sich die anfangs nur grauen Wolken zusehends verdunkelt und tiefer herabgesenkt, und plötzlich hatten sich mit Zischen und Knattern die ersten schweren Regentropfen aus ihnen gelöst. Hand in Hand liefen wir über die niedrigen Erdhügel und Löcher, um unter dem nächsten Baume Schutz zu suchen. Ein Sturm zog herauf, der sicher heftig werden würde. Laut und scharf brach der Donner los, und die Blitze zuckten unaufhörlich.
    »Wir wollen lieber nicht hier unter dem Baum bleiben, Liebes«, sagte ich. »Das ist gefährlich während eines Gewitters.«
    Sylvia blickte mit aufgerissenen Augen in die Richtung, wo der Regen gleich einer undurchdringlichen Wand jetzt alles zu verhüllen und auf die dunkelgrüne Grasfläche niederzuprasseln begann.
    »Wir können doch da nicht hineinlaufen, Schatz. Es ist ja auch schlimm genug, ich bin schon ordentlich durchnäßt.«
    »Immer noch besser naß, als vom Blitz erschlagen werden.« Ich faßte ihre Hand und wollte sie mitziehen. »Komm doch, die Sache ist wirklich ernst. Der letzte Blitz schien ganz nahe.«
    Doch sie weigerte sich eigensinnig. Frauen können manchmal mit so aufregender Unvernunft auf ihrem Willen beharren.
    »Wenn du die Arme um mich legst, hält es vielleicht den Regen ab«, verlangte sie, ganz unbekümmert darum, daß wir jeden Moment vom Blitz getroffen werden konnten. »Das Wasser läuft mir schon am Rücken hinunter, es ist gräßlich.«
    Ich erkannte, daß ich sie nicht von dem Baum wegbekommen würde, bevor es zu regnen aufhörte, außer wenn ich sie mit Gewalt fortschleppte. So gab ich nach und blieb. Die Blätter ergossen ihren Überschuß an kaltem Wasser auf unsere Gesichter, während wir uns küßten und der Boden unter unseren Füßen einzusinken schien. Jedesmal wenn der Donner grollte, schmiegte sich Sylvia dichter an mich, und jedesmal, wenn der Blitz vor unseren geschlossenen Augen niederfuhr, preßten sich ihre Lippen fester auf meinen Mund.
    »Sylvia«, sagte ich und streichelte ihr triefendes Haar, »Sylvia, ich hätte es nie für möglich
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