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Heirate keinen Arzt

Heirate keinen Arzt

Titel: Heirate keinen Arzt
Autoren: Robert Tibber
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gehalten.«
    »Was?«
    »Daß man einen Menschen so sehr lieben könnte.«
    »So sehr, daß es weh tut?«
    »So sehr, daß es weh tut.«
    »Sylvia?«
    »Ja, Lieber?«
    »Du wirst mich doch heiraten, du wirst? Sag ja...«
    Ich fühlte, wie sich ihr Körper leicht von mir löste, und es kam keine Antwort. Ich trat ein wenig zurück, um sie anzublicken, und sah, wie ihr die Tränen, mit Regentropfen vermischt, über die Wangen rollten.
    »Nicht weinen, Liebes!«
    Ich zog mein Taschentuch heraus, doch weder die Tränen noch die Regentropfen versiegten.
    »Du hast mir nicht geantwortet.«
    »Meine Antwort heißt >nein<.« Es war bezeichnend für Sylvia, daß sie nicht versuchte, den Schlag zu mildern. Geradezu wie in allem, was sie tat, sagte sie bloß »nein«.
    »Aber du liebst mich doch!«
    Ich sehe noch ihre Augen mit dem schwarzen Ring um die tiefblaue Iris vor mir, mit denen sie mich anblickte, als sie sagte:
    »Ich liebe dich mehr als alles auf der Welt. Und werde dich wohl immer so lieben.«
    »Warum kannst du mich dann nicht heiraten?«
    »Ich kann es nicht erklären«, antwortete sie, ohne die Augen von mir abzuwenden. »Nur darfst du nie denken, ich liebte dich nicht.«
    »Das verstehe ich nicht. Es reimt sich doch nicht miteinander.«
    »Du würdest es auch nie begreifen. Deshalb versuche ich gar nicht erst, es dir zu erklären. Ich hab’ dich unsagbar lieb, aber ich kann dich nun einmal nicht heiraten.«
    »Es ist doch kein anderer im Weg - oder?«
    »Darauf kannst du dir selbst die Antwort geben.«
    »Dann werde ich dich schon umstimmen.«
    Sie schüttelte den Kopf, so daß die Tropfen flogen.
    »Sei mir nicht böse, Liebster, aber das wirst du nicht können. Und jetzt willst du mich sicher nie Wiedersehen.«
    Bis dahin und nicht weiter gelangte ich an jenem tropfnassen Tag, als sich die Welt in Regen aufzulösen schien, mit meiner unerklärlichen Sylvia. Und auch seither hatte sie nie abgeleugnet, daß sie mich liebte, aber zu heiraten weigerte sie sich nach wie vor, selbst nachdem ich eine eigene Praxis und ein nicht unbeträchtliches Einkommen besaß.
    Damals hatte ich eine solche Wendung nicht im entferntesten als möglich betrachtet und noch lange Zeit nachher auch nicht - aber da stand ich nun und erwog die Ehe mit einer anderen. Es würde nicht Sylvia sein oder jemand, der in irgendeiner Weise war wie sie; ich fühlte nur die Notwendigkeit, eine Frau zu haben, die aus meinem Haus ein Heim machte. Nach den letzten Monaten zu schließen, würden Betty Hurne und ich leidlich gut miteinander auskommen, und das war, wenn ich die Ehen meiner Patienten an mir vorüberziehen ließ, mehr oder weniger so viel, wie man vom Zusammenleben zweier Menschen erwarten konnte.
     
    Was die heutige Gesellschaft betraf, so schien mir, daß ich wohl nichts übersehen hatte. Betty kümmerte sich um das Essen, Faraday um das Trinken, Mrs. Little um Tische und Stühle, Miss Hornby um die Einladungen und Miss Hornbys Freundin um die Papierschlangen und Dekorationen. Alles schien in bester Ordnung.
    Wir waren jetzt in der Jahreszeit, wo nach dem Eindunkeln allabendlich der Friede unserer Straße von Kinderstimmen gebrochen
    wurde, die falsch, aber voll Begeisterung Weihnachtslieder sangen. Sie nahmen Aufstellung vor den Haustüren und läuteten unentwegt so lange, bis ihnen jemand auftat. Ich hielt gewöhnlich Sprechstunde, wenn sie auftauchten, aber einmal, als niemand mehr im Wartezimmer war, saß ich gemütlich bei der Lektüre der Abendzeitung am offenen Feuer und lauschte ihnen. Als die Klingel ging, rief ich Mrs. Little zu, daß ich selbst öffnen werde.
    »Ach, machen Sie doch nicht auf, Herr Doktor. Die machen einen ja jeden Abend verrückt mit ihrer Singerei und dem Geklingel.«
    »Es sind doch Kinder.«
    »Ja, aber wenn man ihnen den kleinen Finger reicht, nehmen sie die ganze Hand!«
    Ich öffnete die Vordertüre, und die ganze Bande flutete aus der Kälte draußen in die warme Diele.
    Ich wartete, bis sie ein zittriges Finale am Schluß des letzten Verses erreichten. Sie tauschten einige Blicke aus und sagten dann füßescharrend:
    »Frohe Weihnachten, Herr Doktor.«
    »Frohe Weihnachten. Hab’ ich deiner Mutter nicht gesagt, du darfst nicht aufstehen, Jimmie?«
    »Sie weiß nicht, daß ich auf bin.«
    »Wo ist sie denn?«
    »Unten im Wirtshaus.«
    »Ach so.«
    »Ich hab’ mir doch mein’ Schal umgebunden, Herr Doktor.«
    »Also gut. Mach aber, daß du nicht zu spät heimkommst.«
    »Ja, Herr Doktor«, versprach
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