Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heirate keinen Arzt

Heirate keinen Arzt

Titel: Heirate keinen Arzt
Autoren: Robert Tibber
Vom Netzwerk:
Interesse studierte und dazulernte. Wenn ich schon kein Spezialist war, so wollte ich doch ein wirklich guter praktischer Arzt sein.
     
    In jener Nacht, als ich bei den Higgins’ zu Abend gegessen hatte, schlich ich mich beim Heimkommen gerade leise die Treppe hinauf, um Mrs. Little nicht zu wecken, als das Telefon läutete. Der Anruf kam von Mrs. Dobson oben an der Straße, die mich bat, nach ihrem Mann zu sehen, der sich am Kopf verletzt habe. Komisch, sich mitten in der Nacht ,am Kopf zu verletzen, dachte ich, allein sie schien sehr aufgeregt und redete etwas wirr über die ganze Sache. Ich versprach ihr, hinüberzukommen, und holte rasch unten in der Ordination Nadeln und Fäden, falls er genäht werden müßte.
    Als ich die Praxis antrat, hatte Mrs. Little mir .allerlei über die Dobsons erzählt, aber ich war bisher nie bei ihnen gewesen, und Mrs. Dobson war nur ein einziges Mal in meiner Sprechstunde erschienen. Wenn ich an ihrem Hause vorbeifuhr, sah ich öfters Frauen aus der Nachbarschaft hineingehen, denn Mrs. Dobson war, wie Mrs. Little mir gesagt hatte, eine sehr gute Coiffeuse und natürlich viel billiger als ihre Kollegen mit regelrechten Läden. Das letzte, was meine Haushälterin mir berichtet hatte, war, daß Mr. Dobson seine Stellung verloren hatte, weil er ständig betrunken war. Lange Zeit hatte er einen Spezereiladen geleitet, war aber jetzt so heruntergekommen, daß er Zeitungen verkaufte.
    In seiner Küche fand ich ihn mit lang ausgestreckten Beinen in dem Sessel beim Boiler liegen, die Augen halb geschlossen, mit zerrissenem Rock und einer Schnittwunde an der Stirn, aus der Blut sickerte. Ein unerfreulicher Anblick.
    »Ich glaube, es hat da einen Streit gegeben«, sagte Mrs. Dobson, ein nettes Frauchen, das mir vor Scham gar nicht in die Augen sehen konnte. »Ein paar Männer haben ihn heimgebracht und gesagt, draußen vor dem Wirtshaus habe es irgend etwas gegeben. Er läßt mich überhaupt nicht an sich ’ran, und der Schnitt da auf seiner Stirn sieht mir bös aus.«
    Im Spital hatten wir es nachts häufig mit Trunkenbolden zu tun gehabt, daher wußte ich, wie mit ihnen zu verfahren sei.
    »Setzen Sie sich auf, Dobson!« kommandierte ich in meinem besten Kasernenhofton.
    Er tat nichts dergleichen, also trat ich zu ihm und betrachtete mir seine Wunde. Da hob er die Faust vom Boden, wo sie lag, un stie nach meinem Bauch.
    »Mach, daß du zur Bande zurückkommst, wo du gewesen bist«, knurrte er, »und laß mich in Ruh!«
    Ich wußte erst nicht, was für eine »Bande« er meinte, aber dann fiel mir ein, daß ich ja noch den Smoking anhatte.
    Ich stellte mich mit einem Stück Verbandgaze hinter ihn, um das Blut wegzuwischen, weil ich sonst nicht beurteilen konnte, wie groß seine Wunde war.
    »Laß mich in Ruh!« grölte er plötzlich laut und machte Miene, aufzustehen.
    Ich hakte ihm den Arm um den Hals und zog ihn unsanft zurück.
    Die Sache sah aus, als sei er von einer Flasche getroffen worden. Sie bedurfte zweifellos einiger Stiche. Ich ließ ihn daher für den Augenblick los, um mein Handwerkszeug bereitzumachen.
    »Kann man ihn nicht betäuben?« wollte Mrs. Dobson wissen.
    »Ich dächte, er hat genug Alkohol in sich, um unempfindlich zu sein. Ich bezweifle, ob er überhaupt etwas davon spürt.«
    Als ich um seinen Stuhl herumging, versuchte er noch einmal, nach mir auszuschlagen, traf aber daneben. Ich nahm seinen Hals fest in die Zange meines linken Arms und machte den ersten Stich. Mrs. Dobson wandte den Kopf ab, doch er zuckte nicht einmal.
    Während ich meine Flickarbeit beendete, begann er zu singen. Er merkte nicht nur von der ganzen Sache nichts, sondern hatte sogar völlig vergessen, daß ich da war. Plötzlich hörte er auf zu singen und rief wütend:
    »Mir mit so ’ner verdammten Flasche über’n Kopf zu hauen! Wo ist der gemeine Lump jetz’ bloß hin?« Er brummelte weiter von dem Kerl mit der Flasche, bis ihm die Augen zufielen und sein Kopf auf die Brust sank.
    »Soll ich ihn hinaufschaffen?« fragte ich Mrs. Dobson.
    »Sehr freundlich von Ihnen, Herr Doktor, aber ich kann’s schon allein«, erwiderte sie.
    Ich sah mir das kleine Frauchen an und dann den gut einen Meter achtzig langen, schweren Dobson.
    Sie beugte sich tief über seinen Sessel, in dem er jetzt widerwärtig schnarchte. Indem sie den Kopf auf seinen Bauch legte und seine Rockaufschläge anpackte, hißte sie ihn mit einem einzigen raschen Ruck über ihre Schulter. Ich hätte so etwas nicht für
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher