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Heirate keinen Arzt

Heirate keinen Arzt

Titel: Heirate keinen Arzt
Autoren: Robert Tibber
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er mit einem Gesicht, als meinte er es wirklich.
    Ich gab ihnen einen Schilling, und mit tiefgefühltem Glückwunschgeschrei zogen sie über den Gartenweg ab.
    Ich schloß die Haustür, ging aber einen Augenblick ins Eßzimmer und machte das Fenster dort einen Spaltbreit auf. Sie hingen wie ein Klumpen am Gartentor.
    »Was habt ihr gekriegt? ’n Penny?«
    »Schilling!«
    »Hab’ gemeint, ’s könnte ’ne halbe Krone sein.«
    »Quatsch!«
    »Doch. Er ist ja Millionär.«
    »Wer sagt denn das?«
    »Mein Alter.«
    »Jesses!«
    »Was woll’n wir denn an der nächsten Tür singen?«
    »Am besten wieder >Stille Nacht<. Das zieht immer am meisten.«
    »Okay, denn legt gleich los und macht bloß, daß ihr zusamm’ bleibt.«
    Von neuem erfüllten die zarten Engelsstimmen die Nachtluft, während sich der Millionär in sein Sprechzimmer zurückzog.
     

VIERUNDZWANZIGSTES KAPITEL
     
    Alle hatten ihre Sache so ausgezeichnet gemacht, daß ich mein Haus kaum wiedererkannte. Miss Hornbys Freundin hatte sich die größte Mühe mit der Ausschmückung der Räume gegeben, und das ganze untere Stockwerk war mit Papierketten in leuchtenden Farben behängt. In der Diele prangte ein Christbaum, der prächtig mit silbernen Glöckchen, Wachskerzen und vielem anderen auf geputzt war. Betty Hume und Mrs. Little hatten ab acht Uhr morgens unablässig gearbeitet, und das sogar, ohne sich in die Haare zu geraten. Im Laufe des Tages war ich wiederholt in der Küche erschienen, um festzustellen, wie es vorwärtsging, doch wurde mir jedesmal taktvoll die Tür gewiesen, fest und bestimmt durch Mrs. Little, lieb und zärtlich durch Betty.
    Faraday, der sich mittlerweile in einem der Gastzimmer häuslich niedergelassen hatte, verbrachte den Tag mit der Einrichtung der Bar, wobei er es für nötig befand, jede Flasche zu probieren, um sich zu vergewissern, daß der Inhalt trinkbar sei. Um halb acht Uhr, als der erste Gast erschien, war er gerade mit dieser anstrengenden Arbeit fertig geworden und stand mit scheußlich feixender Miene hinter der improvisierten Bar - meinem mit einem Tischtuch bedeckten Schreibtisch. Zuerst glaubte ich, der Schreibtisch wackle, bei näherem Zusehen aber merkte ich, daß Faraday das wankende Objekt war. Als erster kam ein ehemaliger Kollege aus dem Krankenhaus, und zusammen tranken wir auf das Weih-nachtsfest, uns selbst und die guten alten Tage. Wir fanden nicht Zeit, uns ein weiteres Toastobjekt auszudenken, ehe die Hausglocke mehrmals anschlug und die Party in Gang kam.
    Betty sah reizend aus. Sie trug irgend etwas Blaßblaues - Blau schien überhaupt ihre Lieblingsfarbe zu sein - und Schuhe mit sehr hohen Absätzen. Jedesmal, wenn sie vorbeikam, sah ich Faraday über seine Bar schielen, so daß ich ihm eine Warnung angedeihen ließ.
    »Niedliche Beinchen«, sagte er.
    »Laß dir sagen«, erwiderte ich in ernstem Ton, indem ich Faraday die Whiskyflasche entwand, aus der er sich unaufhörlich einschenkte, »daß Betty und ich verlobt sind. Jedenfalls so gut wie verlobt. Und du könntest im übrigen aufhören, dir den ganzen Whisky hinter die Binde zu gießen, bevor sonst jemand einen Tropfen davon abgekriegt hat!«
    »Immer mit der Ruhe«, erwiderte Faraday, indem er sich ein volles Glas angelte. »So etwas wie >so gut wie verlobt<, das gibt es nicht, alter Junge. Entweder man ist’s oder ist es nicht.«
    »Du bist beschwipst!« zischte ich ihn an.
    Was Faraday mit einem sehr groben Wort quittierte. Ich ging, um nach Betty zu sehen. Sie bot gerade Sandwiches an und war zu allen Leuten reizend. Mir warf sie einen zärtlichen Blick zu, und ich hatte den Eindruck, als wisse sie, daß der heutige Abend eine besondere Bedeutung, habe. Auch Loveday war mit seiner Frau schon da, und ich hörte seine joviale Stimme durch die Diele dröhnen. Phoebe Miller stand mit einem der anderen »Mädchen« in einer Ecke und erläuterte eine ektopische Schwangerschaft, und der unvermeidliche Joe Morton, ein Kollege von mir und Faraday, den niemand mochte, der aber wegen seines Akkordeonspiels dennoch zu allen Gesellschaften eingeladen wurde, tauchte eben in der Diele auf. Joe, seines Zeichens Pathologe, war ein schon recht bejahrter und wenig erfreulicher Zeitgenosse, aber solange er ausreichend mit Bier versorgt wurde, spielte er nonstop bis zum Schluß jeder Gesellschaft. Anfangs sah er immer ganz ordentlich aus, sobald er aber zu den weniger salonfähigen Nummern seines Repertoires gelangte, pflegte er die Jacke abzuwerfen, seinen
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