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Harter Schnitt

Harter Schnitt

Titel: Harter Schnitt
Autoren: Karin Slaughter
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verschiedenen Konferenzen gehörten. Wieder heuchelte Sara Aufmerksamkeit, zwang sich, nicht auf die Uhr zu schauen, und kaute den Salat so langsam wie eine Kuh auf der Weide, sodass Dale sich nicht gezwungen fühlte, ihr eine Frage zu stellen.
    Das war nicht Saras erstes Blind Date, und leider war es auch nicht ihr unterhaltsamstes. Das Problem hatte schon in den ersten sechs Minuten angefangen, wie Sara an der Uhr abgelesen hatte. Die Präliminarien waren bereits abgehandelt, bevor ihr Essen serviert wurde. Dale war geschieden, hatte keine Kinder, verstand sich noch gut mit seiner Exfrau und spielte in seiner Freizeit im Krankenhaus Spontan-Basketball. Sara stammte aus einer Kleinstadt in South Georgia. Sie hatte zwei Windhunde und eine Katze, die allerdings lieber bei ihren Eltern wohnte. Vor viereinhalb Jahren war ihr Ehemann getötet worden.
    Normalerweise war diese letzte Information ein Gesprächskiller, aber Dale hatte es überspielt wie eine unbedeutende Nebensächlichkeit. Zuerst hatte Sara es ihm positiv angerechnet, dass er nicht nach Details fragte, dann hatte sie vermutet, dass er zu egozentrisch war, um Fragen zu stellen, und schließlich hatte sie sich vorgeworfen, dass sie zu hart über den Mann urteile.
    » Was hat dein Mann gemacht?«
    Die Frage überrumpelte sie. Sie hatte den Mund voller Salat, kaute, schluckte und antwortete ihm dann: » Er war Polizist. Der Polizeichef des Bezirks.«
    » Das ist ungewöhnlich.« Anscheinend schaute sie verständnislos, denn er erklärte: » Ich meine, ungewöhnlich, weil er kein Arzt ist. Kein Arzt war. Also kein Akademiker.«
    » Akademiker?« Sie hörte den Vorwurf in ihrer Stimme, konnte aber nichts dagegen tun. » Mein Vater ist Installateur. Meine Schwester und ich haben für ihn gearbeitet, einige Jahre …«
    » Mann, Mann.« Er hob kapitulierend die Hände. » Das kam wohl falsch heraus. Ich meine, es hat schon etwas Edles, mit den eigenen Händen zu arbeiten, nicht?«
    Sara wusste ja nicht, welche Art von Arzt Dr. Dale war, aber sie neigte dazu, ihre Hände bei ihrer Arbeit zu benutzen.
    Er schien sich seines Fauxpas gar nicht bewusst zu sein, denn seine Stimme bekam nun etwas Feierliches: » Ich habe viel Respekt vor Polizisten. Und Leuten im aktiven Dienst. Soldaten, meine ich.« Er wischte sich mit seiner Serviette nervös den Mund ab. » Gefährliche Arbeit. Ist er im Dienst gestorben?«
    Sie nickte und schaute schnell auf die Uhr. Drei Minuten und sechzehn Sekunden. Ihren Rekord hatte sie knapp verfehlt.
    Er zog sein Handy aus der Tasche und sah aufs Display. » Entschuldigung, aber ich habe Bereitschaft. Ich wollte nur eben nachsehen, ob ich hier ein Signal habe.«
    Wenigstens hatte er nicht so getan, als wäre sein Handy stumm geschaltet, allerdings war Sara ziemlich sicher, dass das noch kam. » Tut mir leid, dass ich so abweisend bin. Es ist ein schwieriges Thema.«
    » Dein Verlust tut mir sehr leid.« Seine Stimme hatte die professionelle Färbung, die Sara aus der Notaufnahme kannte. » Das war sicher schwer für dich.«
    Sara biss sich auf die Zungenspitze. Eine höfliche Reaktion fiel ihr einfach nicht ein, und als sie endlich daran dachte, das Thema zu wechseln und übers Wetter zu sprechen, war so viel Zeit vergangen, dass die Situation noch peinlicher würde. Schließlich sagte sie: » Na ja, wie auch immer. Warum reden wir nicht…«
    » Entschuldigung«, unterbrach er sie, » muss mal kurz auf die Toilette.«
    Er stand so schnell auf, dass sein Stuhl beinahe umgekippt wäre. Sara sah ihn nach hinten hasten. Vielleicht bildete sie sich das nur ein, aber sie dachte, vor dem Notausgang hätte er kurz gezögert.
    » Idiot.« Sie warf ihre Gabel auf den Salatteller.
    Wieder schaute sie auf die Uhr. Es war ein Viertel nach zwei. Falls Dale je wieder von der Toilette zurückkam, konnte sie diese Geschichte um halb drei hinter sich haben. Sara war zu Fuß von ihrer Wohnung hierhergekommen, es würde also nicht dieses ausgedehnte, furchtbare Schweigen geben, wenn Dale sie nach Hause fuhr. Die Rechnung hatten sie bereits bezahlt, als sie an der Kasse ihr Essen bestellten. Für den Rückweg brauchte sie fünfzehn Minuten, sodass sie noch Zeit hatte, ihr Kleid aus- und eine Jogginghose anzuziehen, bevor das Basketballspiel anfing. Sara merkte, dass ihr Magen knurrte. Vielleicht sollte sie nur so tun, als würde sie gehen, und dann zurückkommen und eine Pizza bestellen.
    Auf der Uhr verging noch eine Minute. Sara schaute auf den Parkplatz
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