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Homo ambrosius (Die Organhändler) (German Edition)

Homo ambrosius (Die Organhändler) (German Edition)

Titel: Homo ambrosius (Die Organhändler) (German Edition)
Autoren: Albert Karer
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Albtraum
    Auf der Ladefläche der fünf Pick-ups sitzen vermummte Polizisten. Unter dem Helm tragen sie eine Sturmhaube, die nur die Augen freilässt. Sie verbirgt das Gesicht und schützt vor der nächtlichen Kälte. Die Schutzwesten über dem Kampfanzug, die Magazintaschen, Handschuhe und die schwarzen Knieschoner lassen sie alle gleich aussehen. Die Pick-ups rasen auf das Haus zu, ziehen eine lange Staubfahne hinter sich her. Es ist kurz nach 2 Uhr, die beste Zeit für diesen Vorstoß – die meisten Menschen schlafen jetzt, und wer noch wach ist, ist zumindest müde.
    Er sitzt auf dem dritten Pick-up, neben ihm Unteroffizier Clemens Lange, dreiundzwanzig Jahre alt. Ihr Team wird durch den Vordereingang das Gebäude stürmen.
    Der Pick-up erreicht das Haus und bremst abrupt vor dem Haupteingang. Vor der Hausmauer sind Hunderte von Schlafmohnsetzlingen aufgereiht, eine frisch eingetroffene Lieferung. Genmanipulierte Pflanzen aus Nordkorea, die fünfmal so viel Opium bringen wie normale Schlafmohnpflanzen. Die ersten Männer springen vom Pick-up und sichern den Eingang. Über das Funkgerät kommt das Okay der anderen Teams. Innerhalb von Sekunden sind sie zum Angriff bereit.
    Die afghanischen Polizisten sind gute Schüler, der Angriff verläuft nach Plan, sie verhalten sich einwandfrei. Mit einer schweren Einmann-Türramme wuchten sie die Tür auf. Der Sturmtrupp drängt ins Haus.
    Er nähert sich zusammen mit Clemens dem Eingang. Das Reserveteam stürmt an ihnen vorbei. Das Gebäude ist gesichert, die Männer im Haus sind schnell überwältigt. Er schaut Clemens, seinem Freund, ins Gesicht, sie lächeln sich an, sind stolz auf das Ergebnis ihrer Arbeit. Sie betreten das Haus.
    Im Haus läuft Clemens vor ihm. Der Eingangsbereich ist fast leer, auf dem festgestampften Lehmboden stehen ein Eimer, ein Besen, ein paar Schuhe. Im Haus ist es hell, nackte Glühbirnen strahlen grell.
    Er nickt im Vorbeigehen einem der Afghanen aus seinem Trupp lobend zu. Sie kommen in die Küche: ein Herd, ein Schrank, eine Spüle, ein Tisch, acht Stühle, schmutziges Geschirr. Konservendosen, unzählige Kartons, Lebensmittel „Made in USA“. Dann ein großes Zimmer, auf dem Boden liegen die Schmuggler, sieben Männer. Sie liegen auf dem Bauch, die Hände mit Kabelbindern auf dem Rücken gefesselt. Sechs afghanische Polizisten stehen um sie herum, vier mit der Waffe im Anschlag. Es stinkt nach Schweiß, dazu ein penetranter Geruch nach Benzin. An der hinteren Wand ist eine Tür, die in den Hinterhof führt, dort erkennt er eine primitive Abfüllanlage. Massenhaft Kanister.
    Sie bringen den ersten Schmuggler raus zum Pick-up, dann den zweiten und den dritten. Auf dem Boden liegen noch vier, an der Tür zum Hof stehen zwei afghanische Polizisten mit geladener Waffe. Clemens ist links von ihm, im Raum, durchsucht eine Tasche. Er selbst steht halb im Raum, halb in der Küche. Er lässt zwei Polizisten vorbei, die den vierten Schmuggler holen. Es ist der Vierte!
    Sie reißen den vierten Schmuggler vom Boden hoch. Als der auf den Beinen ist, tritt er mit dem Fuß zur Seite.
    In Zeitlupe sieht er, was passiert. Der Fuß trifft einen kleinen Gegenstand am Boden. Eine Batterie, von der ein langer gelber Draht fortführt. Instinktiv dreht er sich weg, dann kommt ein gewaltiger Feuerblitz, die Explosion schleudert ihn fort, er schreit …
     
    „Clemens!“, schrie er, griff ins Leere, knallte aus dem Bett auf den Boden und suchte automatisch Deckung. Erst langsam sickerte zu ihm durch, dass er nur geträumt hatte: wie immer von seinem letzten Einsatz auf afghanischem Boden. Sechs afghanische Polizisten und sein Freund, Unteroffizier Clemens Lange, waren dabei gestorben. Und seitdem fühlte er sich schuldig. Er selbst wurde schwer verletzt. Schwerste Verbrennungen auf der linken Körperseite, vom Fuß bis zur Schulter.
    Major Jakob Schell, im Auslandseinsatz verwundet und traumatisiert, saß am frühen Morgen erschöpft und verschwitzt auf dem Fußboden vor seinem Bett und wusste, dass er jetzt nicht mehr schlafen konnte.

Frisch geduscht und rasiert fühlte er sich besser. Er setzte sich ins Wohnzimmer, in den Sessel am Fenster, in der Hoffnung, doch noch etwas Schlaf zu bekommen. Sobald er sich entspannt hatte, nahm das Gedankenkarussell Fahrt auf und kreiste schnell um das alte Thema …
    Er hatte gelernt, mit der psychischen Erschöpfung umzugehen, die stets auf den Albtraum folgte. Körperlich ging es ihm gut, er aß gesund, rauchte
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