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Harter Schnitt

Harter Schnitt

Titel: Harter Schnitt
Autoren: Karin Slaughter
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hinaus. Dales Auto stand noch dort, da sie davon ausging, dass der grüne Lexus mit dem Nummernschild DRDALE ihm gehörte. Sie wusste nicht, ob sie enttäuscht oder erleichtert war.
    Noch einmal dreißig Sekunden verstrichen auf der Uhr. Der Gang zu den Toiletten blieb noch einmal dreiundzwanzig Sekunden leer. Eine ältere Frau mit einer Gehhilfe ging mühsam entlang. Hinter ihr war niemand.
    Sara stützte den Kopf auf die Hand. Dale war kein schlechter Mann. Er war solide, einigermaßen gesund, in fester, gut bezahlter Stellung, hatte noch fast alle Haare und wirkte, bis auf den Käse zwischen den Zähnen, gut gepflegt. Doch das alles war nicht genug. Allmählich dachte Sara, dass sie das Problem war, denn sobald sie ihre gute Meinung von jemandem verloren hatte, war sie für immer verschwunden. Die Richtung eines Dampfers zu ändern war einfacher, als Saras Denken zu ändern.
    Sie sollte sich bei der Sache einfach mehr Mühe geben. Sie war keine fünfundzwanzig mehr, die Vierziger saßen ihr im Nacken. Bei einer Größe von über eins achtzig war ihre Auswahl von vornherein beschränkt. Ihre kastanienbraunen Haare und die helle Haut war nicht jedermanns Geschmack. Ihre Arbeitstage waren lang. Als Köchin war sie eine absolute Niete. Offensichtlich hatte sie ihre Fähigkeit zu jeglichem Small Talk verloren, und allein schon die Erwähnung ihres toten Mannes konnte sie zur Furie werden lassen.
    Vielleicht waren ihre Ansprüche einfach zu hoch. Ihre Ehe war nicht perfekt gewesen, aber verdammt gut. Sie hatte ihren Mann mehr geliebt als das Leben selbst. Ihn zu verlieren, das hatte sie beinahe umgebracht. Aber Jeffrey war nun schon fast fünf Jahre nicht mehr da, und, um ehrlich zu sein, Sara fühlte sich einsam. Sie vermisste die Gesellschaft eines Mannes. Sie vermisste die Art, wie das männliche Gehirn funktionierte, und die erstaunlich lieben Dinge, die ein Mann sagen und tun konnte. Sie vermisste die raue Männerhaut. Sie vermisste auch die anderen Sachen. Leider hatte sie, als ein Mann sie das letzte Mal dazu gebracht hatte, die Augen zu verdrehen, gegen die Langweile angekämpft und sich nicht in Ekstase gewunden.
    Sara musste sich eingestehen, dass sie beim Flirten extrem, schrecklich, grässlich schlecht war. Viel Zeit zum Üben hatte sie ja nicht gehabt. Von der Pubertät an war Sara seriell monogam gewesen. Ihr erster Freund war eine Highschool-Liebe gewesen, die bis zum College gehalten hatte, dann war sie während des Medizinstudiums die ganze Zeit mit einem Kommilitonen gegangen, und schließlich hatte sie Jeffrey kennengelernt und nie mehr einen Gedanken an einen anderen Mann verschwendet. Bis auf eine katastrophale Nacht vor drei Jahren hatte es seitdem keinen Mann mehr gegeben. Sie kannte nur einen Mann, der auch nur entfernt einen Funken in ihr entfachen konnte, aber der war verheiratet. Schlimmer noch, er war ein verheirateter Polizist.
    Und am schlimmsten, er stand gerade mal drei Meter von ihr entfernt an der Kasse.
    Will Trent trug schwarze Shorts und ein langärmeliges, schwarzes T-Shirt, das seine breiten Schultern sehr vorteilhaft zur Geltung brachte. Seine sandblonden Haare waren länger als noch vor ein paar Monaten, als Sara ihn das letzte Mal gesehen hatte. Er hatte einen Fall bearbeitet, der einen ihrer alten Patienten in der Kinderklinik zu Hause betraf. Sie hatte ihre Nase so tief in Wills Angelegenheiten gesteckt, dass er keine andere Chance gehabt hatte, als sich von ihr bei den Ermittlungen helfen zu lassen. Sie hatten, so fühlte es sich zumindest an, ein wenig miteinander geflirtet, doch nach Abschluss des Falls war er nach Hause zu seiner Frau zurückgekehrt.
    Will war extrem aufmerksam. Sicher hatte er Sara beim Hereinkommen am Tisch sitzen sehen. Dennoch drehte er ihr den Rücken zu und starrte ein Flugblatt auf der Anschlagtafel an der Wand an. Sie brauchte die Uhr nicht, um die Sekunden zu zählen, während sie darauf wartete, dass er sie bemerkte.
    Er wandte seine Aufmerksamkeit einem anderen Flugblatt zu.
    Sara zog den Clip heraus, der ihre Haare zusammenhielt, und ließ ihre Locken über die Schultern fallen. Sie stand auf und ging zu ihm.
    Es gab einige Dinge, die sie über Will Trent wusste. Er war groß, mindestens eins neunzig, hatte den schlanken Körper eines Läufers und die schönsten Beine, die sie bei einem Mann je gesehen hatte. Seine Mutter war ums Leben gekommen, als er weniger als ein Jahr alt gewesen war. Er war in einem Kinderheim aufgewachsen und nie
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