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Harter Schnitt

Harter Schnitt

Titel: Harter Schnitt
Autoren: Karin Slaughter
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Bedrohung zu, bevor du sichergestellt hast, dass hinter dir alles sicher ist.
    Geduckt ging sie nach links und betrat das Wohnzimmer. Sie schaute an den Wänden entlang, kontrollierte die Glasschiebetür, die auf die Terrasse führte. Das Glas war zerbrochen. Die Vorhänge bewegten sich im Wind. Das Zimmer war verwüstet worden. Da hatte irgendjemand irgendetwas gesucht. Schubladen waren herausgerissen. Kissen aufgeschlitzt. Von ihrer Position aus konnte Faith hinter die Couch blicken und auch erkennen, dass im Ohrensessel niemand saß. Immer wieder schaute sie zwischen dem Zimmer und dem Gang hin und her, bis sie sicher war, dass sie weitergehen konnte.
    Die erste Tür war die zu ihrem alten Zimmer. Auch hier hatte jemand gesucht. Die Schubladen in Faith’ altem Schreibtisch standen heraus wie Zungen. Die Matratze war aufgeschlitzt. Emmas Kinderbettchen war zertrümmert, die Bettdecke zerrissen. Das Mobile, das jeden Tag ihres Lebens über ihr gehangen hatte, war in den Teppich getreten wie Dreck. Faith unterdrückte die brennende Wut, die in ihrer Brust aufstieg, und zwang sich zum Weitergehen.
    Schnell schaute sie in den Schränken und unter dem Bett nach. Dasselbe machte sie in Zekes Zimmer, das ihre Mutter zum Büro umgebaut hatte. Auf dem Boden lagen Papiere verstreut. Die Schreibtischschubladen hatte man an die Wand geschmettert. Sie schaute ins Bad. Der Duschvorhang war zurückgezogen. Der Wäscheschrank stand offen. Handtücher und Laken hingen heraus.
    Faith stand links neben dem Schlafzimmer ihrer Mutter, als sie die erste Sirene hörte. Zwar noch entfernt, aber deutlich. Sie sollte auf die Beamten, auf Verstärkung warten.
    Faith trat die Tür ein und blickte, leicht geduckt, hinein. Am Fuß des Betts waren zwei Männer. Einer kniete. Er war Hispano und trug nur eine Jeans. Die Haut auf seiner Brust war aufgeplatzt, als hätte man ihn mit Stacheldraht gepeitscht. Schweiß glänzte auf seinem Oberkörper. Schwarze und rote Verfärbungen sprenkelten seine Rippen. Überall auf Armen und Torso hatte er Tätowierungen, die größte davon auf seiner Brust: ein grüner und roter Texasstern mit einer sich darum windenden Klapperschlange. Er war Mitglied der Los Texicanos, einer mexikanischen Gang, die seit zwanzig Jahren den Drogenhandel in Atlanta kontrollierte.
    Der zweite Mann war Asiate. Keine Tattoos. Ein leuchtend rotes Hawaii-Hemd und beige Chinos. Er stand vor dem Texicano und hielt dem Mann eine Waffe an die Stirn. Ein fünfschüssiger Revolver Smith and Wesson mit Kirschholzgriff. Der Revolver ihrer Mutter.
    Faith richtete die Flinte auf die Brust des Asiaten. Das kalte, harte Metall fühlte sich an wie eine Verlängerung ihres Körpers. Adrenalin ließ ihr Herz rasen. Jeder Muskel ihres Körpers wollte abdrücken.
    Ihre Stimme klang scharf. » Wo ist meine Mutter?«
    Er sprach mit näselndem Südstaatenakzent. » Wenn du auf mich schießt, triffst du ihn auch.«
    Er hatte recht. Faith stand im Flur, deutlich weniger als zwei Meter entfernt. Die Männer waren zu dicht beieinander. Sogar ein Kopfschuss barg das Risiko, dass eine Kugel danebenging, die Geisel traf und wahrscheinlich tötete. Dennoch ließ sie die Waffe nicht sinken und behielt den Finger am Abzug. » Sag mir, wo sie ist.«
    Er drückte die Mündung fester an die Stirn des Mannes. » Waffe weg.«
    Die Sirenen wurden lauter. Sie kamen aus Zone fünf, der Peachtree-Seite des Viertels. Faith sagte: » Hörst du das?« Sie stellte sich den Weg die Nottingham herunter vor und rechnete sich aus, dass ihre Kollegen in weniger als einer Minute hier waren. » Sag mir, wo meine Mutter ist, oder ich schwöre, ich töte dich, bevor sie an der Tür sind.«
    Er grinste und umfasste den Revolver fester. » Du weißt, weswegen wir hier sind. Gib es uns, und wir lassen sie gehen.«
    Faith wusste nicht, was er meinte. Ihre Mutter war eine dreiundsechzig Jahre alte Witwe. Das Wertvollste im Haus war der Boden, auf dem sie standen.
    Er verstand ihr Schweigen als Unschlüssigkeit. » Willst du wirklich deine Mutter wegen Chico hier verlieren?«
    Faith tat so, als würde sie ihn verstehen. » Ist es wirklich so einfach? Eines gegen das andere?«
    Er zuckte die Achseln. » Der einzige Weg, damit wir beide hier rauskommen.«
    » Blödsinn.«
    » Kein Blödsinn. Ein fairer Tausch.« Die Sirenen wurden lauter. Auf der Straße quietschten Reifen. » Na komm, du Schlampe. Was ist? Kommen wir ins Geschäft?«
    Er log. Er hatte bereits einen Mann getötet und bedrohte
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