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Harka der Sohn des Haeuptlings

Harka der Sohn des Haeuptlings

Titel: Harka der Sohn des Haeuptlings
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Unglück, und die Krieger der Bärenbande wurden immer weniger.
    Dem Feuer etwas näher als die übrigen saß Schonka. Er grinste Harka an. Tatanka-yotanka wies ihn zu den Frauen und Kindern in den Hintergrund.
    Harka stand noch bei Tatanka-yotanka. »Ich will mich waschen und kämmen. Ich gehe an den Fluß«, sagte er ruhig, als spräche er wie an irgendeinem beliebigen Morgen.
    »Du kommst zurück?«
    »Ich komme zurück. Ich spreche die Wahrheit, ja!«
    »So geh. Ich vertraue deinem Wort.«
    Harka ließ sich von Untschida ein Töpfchen Bärenfett geben, und dabei berührte er ihre Hand, die kühl war. Dann lief er hinaus, die Büchse mit sich führend. Von dieser wollte er sich niemals trennen.
    Der Mond schien über die Prärie, die Schatten waren deutlich.
    Harka ging nicht besonders schnell, etwas langsamer, als er sonst bei Morgengrauen an den Bach zu gehen pflegte. Er hörte, sah und empfand alles in seiner Umgebung, was ein Mensch mit seinen fünf Sinnen an diesem späten Abend überhaupt wahrnehmen konnte; das sanfte Streichen des Windes, das Schattenbild des Gehölzes und der Tipis, das Knistern der Feuer in den Zelten, eine hellen Schein, wenn einer aus- und einging, leises Sprechen, das Stampfen von Pferden, einen kläffenden Laut bei der Hundemeute, das singende Plätschern des Wassers.
    Als der Knabe an den Bach kam, sprang er hinein, tauchte, kam wieder heraus, rieb sich mit Sand ab, kämmte sich und salbte die Haut gründlich.
    Dann nahm er seine Büchse zur Hand und versteckte sich schnell, indem er sich ins Gras warf. Denn er hörte einen Reiter, der vom Dorf her kam, und das Herz setzte ihm fast aus.
    Der Reiter kam aus dem Gehölz. Es war Mattotaupa. Er ritt sein bestes Pferd. Er ritt über den Bach im Schritt gegen Westen zu, dahin, wo eine letzte grünliche Helle über der dunkelvioletten Kette des Felsengebirges leuchtete.
    Mattotaupa war barhaupt, er trug keine Adlerfeder mehr.
    Sein Oberkörper, die Schulter mit den Kratzwunden der Bärenpranke waren nackt.
    Harka sah nur den Schattenriß des Gesichts. Es war eingefallen, mager, kantig. An einem einzigen Tag hatte es sich vollständig verändert.
    Mattotaupa bemerkte Harka nicht. Ohne sich nach irgendeiner anderen Richtung umzusehen, ritt er gen Westen, dem noch rauheren Hochland und Gebirge zu.
    Harka blieb an seinem Platz, bis der Reiter seinem Blick entschwand. Dann ging er ruhig, wie er gekommen war, zurück zur Pferdeherde, wo Alte Antilope die Wache hatte. Der Knabe führte sein Büffelpferd an einen anderen Platz und lockerte dann die Fesselung an den Vorderfüßen. Als er das erledigt hatte, begab er sich zurück zu dem Tipi, das jetzt nicht mehr das Tipi eines Häuptlings war. Es war die Behausung der Familie eines Verbannten und Geächteten.
    Der Knabe sah, daß die Frauen und Kinder und auch Schonka sich schon schlafen legten. Sein eigenes Schlafgestell stand am gewohnten Platz nahe dem Einund Ausgang. Er ergriff es und rückte es in den Hintergrund zu den anderen zwischen den Schlafplatz
    Untschidas und Uinonahs. Er legte Uinonahs Festkleid, das sie am vergangenen Morgen für das geplante Jagdfest angelegt und jetzt ausgezogen hatte, näher zum Lager der Schwester.
    »Harka geht zu den Weibern«, flüsterte Schonka.
    Der Knabe tat, als habe er die Worte nicht gehört.
    Beim Zelteingang befand sich die Lagerstatt Tatankayotankas, der diese Nacht nicht bei Hawandschita, sondern bei der Familie Mattotaupas verbringen wollte. Vielleicht um Harkas willen. Die Waffen Mattotaupas lagen gebündelt zur Rechten Tatankas, auch die doppelläufige Büchse, die The Red dem Häuptling Mattotaupa geschenkt hatte.
    Der Knabe schloß die Augen bis auf einen schmalen Schlitz. Er horchte, und er wartete wieder, wie er den ganzen Tag gewartet hatte. Und doch hatte sich die Art seines Wartens ganz und gar verändert, seitdem der Urteilsspruch der Ratsversammlung gefällt war. Jetzt wartete Harka nicht mehr darauf, was andere noch tun würden. Er wartete nur, bis die Zeit gekommen sein würde, selbst zu handeln.
    Stunde um Stunde horchte er auf die Atemzüge im Zelt und auf jede Bewegung, die ein Schläfer auf seiner Lagerstatt machte.
    Zuerst waren Schonka und Harpstennah eingeschlafen, dann Scheschoka, endlich um Mitternacht auch Tatankayotanka. Aber Untschida, die Mutter Mattotaupas, die an diesem Tag ihren letzten Sohn verloren hatte, schlief nicht. Ihre geöffneten Augen schimmerten in der Finsternis.
    Harka legte seine Hand auf ihren Mund, und
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