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Gleichbleibend Schoen

Gleichbleibend Schoen

Titel: Gleichbleibend Schoen
Autoren: Helen Hodgman
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Ich hatte es mit angesehen. Von Anfang an.
    Bevor sie kam, war unser Haus das letzte in der Straße gewesen: das schäbige Schlusslicht einer langen Reihe gepflegter Holzbungalows. Es stach ein wenig hervor, weil es nicht wie die anderen in einem Pastellton gestrichen war. Ich hatte mich nie für eine Farbe entscheiden können. Ungenutzte Farbwahlkarten lagen im Haus verstreut.
    Auf der anderen Seite des Hauses befand sich ein kleines Stück struppiges Buschland, das sich bis zum Strand hinabzog. Solange ich aus den richtigen Fenstern schaute, konnte ich tagelang vergessen, dass ich in einer Vorstadtsiedlung lebte.
    Dann wurde das Land verkauft und gerodet. Männer zogen Gräben. Bauten das Haus.
    Die Frau, die das Grundstück gekauft hatte, kam jeden Tag zur Baustelle, um sie zu beaufsichtigen. Ich stand hinter den Jalousien und hörte zu, wie sie herumquengelte, damit die Männer schneller machten. Die sonnenverbrannten Kerle scherte das nicht. Sie ließen sich Zeit und legten regelmäßige Pausen ein, um sich in einem Henkeltopf über dem Feuer ihren Billy-Tee zu brauen, zu rauchen und die Frau durch große Bissen Fleischpastete anzugrinsen.
    Ihr Werk war bald vollendet, und das Haus balancierte auf einem unebenen Stück roher, rotbrauner Erde. Die Männer gingen. Es war Regenzeit. Bald spiegelte sich der Himmel in schillernden Wasserlachen. Sie umgaben das Haus wie ein Zaun aus Metallscheiben, die im Sonnenlicht glitzerten und blitzten.
    Die Frau heuerte eine neue Gruppe sanftmütiger Riesen an, die das Grundstück planierten. Sie gruben den Boden um und bereiteten ihn darauf vor, säckeweise domestizierten Grassamen aufzunehmen.
    Um den kümmerte die Frau sich selbst. Vor dem Haus leuchtete bald ein unnatürlich grünes Rasenstück aus stacheligen Grashalmen. Beeindruckend aus der Ferne, von Nahem gesehen jedoch ziemlich traurig. Die Halme standen weit auseinander. Durch die Lücken klaffte der staubige, im Lauf des Sommers noch staubiger werdende Boden wie Räude und trotzte den täglichen Gießattacken.
    Am Rand dieses verhätschelten Fleckens raschelten und wogten die heimischen Gräser. Bisweilen machten sie ihren Anspruch auf das usurpierte Homeland geltend und schleuderten einen Samen hinüber, der einen Zentimeter Boden befruchtete und zurückeroberte. Doch bei aller Zähigkeit – die fast tägliche Rasur überstand er nicht.
    *
    In den ersten Tagen des Rasenanlegens kam die Frau immer frühmorgens vorbei, um die Saat zu kontrollieren. Sie sah dem Gras beim Wachsen zu, mit dem Einziehen schien sie es nicht eilig zu haben. Wenn ich vom Strand zurückkam, musste ich an ihr vorbei, aber sie war viel zu beschäftigt, um etwas zu sagen. Sie hielt auf Distanz. Mir war das recht. Hätte sie sich vorgestellt, wäre der Zauber des Strandes verflogen. Mit etwas Glück und ohne Störungen konnte er mich über den ganzen Tag retten. Der Strand war der Hauptgrund, warum ich dort lebte.
    Ich hatte ihn während eines Wochenendbesuchs bei meiner zukünftigen Schwiegermutter entdeckt. Meine Schwangerschaft war erst vierundzwanzig Stunden vorher bestätigt worden, eigentlich gab es keinen Grund zur Eile. Doch mein Mann wollte wie immer alles richtig machen, und in diesem Fall hieß das, es ihnen schonend beizubringen und ein Haus für uns zu suchen.
    Weil ich über alles nachdenken wollte, war ich frühmorgens zu einem Spaziergang aufgebrochen. Als es so aussah, als würde die Straße ewig weitergehen, stieg sie plötzlich leicht an, um auf der anderen Seite in einen Streifen aus schneidend rauem Seegras zu münden und schließlich in einem Wirrwarr aus Autospuren auf dem Sandstrand zu enden.
    Die Frühmorgenüberraschung: Es war ein herrlicher Strand, wie von der Titelseite eines Urlaubsprospektes. Blassgelb und makellos erstreckte er sich zu beiden Seiten. An den jeweiligen Enden sprangen spektakulär schwarze Felsen vor, die See war tiefblau und glitzerte wie Silberlamé. Absurd viel Schönheit für die frühe Stunde, ein Farbfeuerwerk, das für mich eher zur Mitternacht gehörte. Ich setzte mich zwischen die leeren Bierdosen auf den Boden und weinte.
    Ich war am Meeresufer gestrandet wie das arme dumme Schildkrötenweibchen, das ich einmal in einem Film gesehen hatte. Nachdem es unter großen Qualen und Mühen einen Haufen Eier gelegt hatte, gab es keine Hoffnung mehr, dass es den Weg zurück ins Meer schaffte. Es würde vor Erschöpfung sterben.
    Als ich die Straße entlang zurückging, sah ich ein Haus, das zum
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