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Halloween

Halloween

Titel: Halloween
Autoren: Stewart O'Nan
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deutet auf Kyle mit seinem albernen Ziegenbärtchen und seiner großen Silberkette. «Guck mal.» Er hält ihm das Foto dichter hin, und Kyle zuckt ängstlich zurück.
    «Ich weiß nicht.»
    Tim blättert zu einem von mir und Toe an der Schießbude. «Das ist Marco», sagt er. «Das ist Toe.» Weiter. «Das ist Danielle.»
    Kyle sitzt mit dem Snickerspapier in der Hand da und starrt die Bilder an, als wäre das Ganze zu schwer. (Und was ist mit dem echten Kyle los, warum hilft er ihm nicht? Will er es Tim leichter machen?)
    Hier ist ein Foto von Kyle, auf dem er ihm in der Schlange vor dem Demon Drop die gekreuzten Mittelfinger zeigt, den Hot Dog im Mund wie eine Zigarre. Später warf er das Ding in dem Moment, als wir schwerelos wurden, von oben runter, um zu sehen, ob es schneller unten ankommen würde. Einen Augenblick lang war der Hot Dog auf einer Höhe mit uns, und dann rauschten wir abwärts. Wir haben nicht gesehen, wie er aufschlug.
    «Wer ist das?»
    Kyle weiß es nicht.
    «Das ist Kyle», sagt Tim und denkt dann, dass er zu weit gegangen ist. «Das ist ein anderer Freund von mir, der Kyle heißt. Ihr habt beide denselben Namen.»
    Woher sollte Kyle wissen, was er dazu sagen soll? Er leckt sich die Finger ab. Tim steckt das Bild von Danielle im Bus in seine Hemdtasche, packt den Stapel wieder ein und legt ihn zurück ins Handschuhfach. Er nimmt Kyle das Papier ab und wirft es auf die verbrannten Zigarettenstummel im Aschenbecher.
    Please don’t tell me everything is wonderful now. Please don’t tell me everything is wonderful now.
    Er kann immer noch nicht glauben, dass das Dunkin’ Donuts geschlossen hat. Er weiß noch, dass er den Beifahrersitz frei gemacht hat, als wir Danielle abholten, damit sie hinten auf seinem Schoß sitzen konnte – das bedeutet, er hätte da gesessen, wo ich war, und ich hätte überlebt. Hätte.
    Er wünscht, sie hätten noch offen, damit er einen Cupcake kaufen könnte; mehr wollte er gar nicht. Das ist doch nicht viel.
    Sie haben mit Mr. Arnold Witze gerissen, haben Danielle wegen ihrer Uniform aufgezogen – «hübsches Kostüm». Dann sind sie in den Wagen gestiegen.
    Die CD ist wie ein Countdown, «Negative Influence» von Zero Tolerance für Kyle, der es nicht mitkriegt. Er weiß nicht, warum sie hier sind. Tim schaut sich nochmal nach Brooks um und denkt, dass er ihm schon zu viele Chancen gegeben hat. Er kann nicht länger warten. Es ist Zeit, zu fahren. Wenn Kyle aussteigen soll, dann jetzt.
    (Das ist der Moment, wo der echte Kyle endlich eingreift. Er dreht sich um, legt die Hand mitten auf Tims Brust und schließt die Augen, konzentriert sich, als würde er ihm das Leben aussaugen.
    Hör auf, sagt Danielle und grapscht nach seinem Handgelenk, aber ihre Hand gleitet durch seinen Körper.
    Wir versuchen es alle zusammen – 1, 2, 3 –, aber er ist einfach zu stark. Einen Augenblick lang ist er alles, woran Tim denken kann, und wir sind nirgendwo.)
     
    Brooks braucht nicht mehr in den Bericht zu schauen. Er stellt sich mit dem Vic in die hintere Ausfahrt des Battison-Parkplatzes, schräg zur 44 mit eingeschalteten Parkleuchten, aber er macht es sich nicht bequem. Er lässt das Radargerät aus, beobachtet, wie ein silberner Eclipse mit knapp hundert vorbeibraust, zuschnell für diese Verhältnisse. Normalerweise würde er den Wagen anhalten. Er kommt seiner Dienstpflicht nicht nach, aber was können sie ihm schon anhaben? Er hat beschlossen, dass das seine letzte Schicht ist.
    Vor einem Jahr hat er auch hier gestanden, hat auf denselben Ölflecken geparkt. Er kann sich nicht mehr erinnern, was er gedacht hat, als er uns sah – jugendliche Raser, möglicherweise nicht angeschnallt. Es war Monatsende, Monatsanfang, es spielte keine Rolle, seine Zahlen waren gut. Um die Uhrzeit hätte er sich jeden Fahrer schnappen können, der vorbeikam, aber aus irgendeinem Grund wählte er uns aus. Das Auto war unauffällig, harmlos, kein tiefer gelegtes Modell, keine goldverchromte Limousine. Vielleicht lag es daran, wie es beschleunigt hat, eine Aufforderung zur Verfolgungsjagd. Es gab kein Zögern, bloß eine einfache, blitzschnelle Entscheidung, wie er sie schon tausendmal getroffen hatte. Er sah das Auto und fuhr los. Kurz darauf klebte er hinter uns im toten Winkel, so dicht, dass er das Kennzeichen durchgeben konnte. Er dachte, es würde eine einfache Kontrolle werden – einheimische Jugendliche –, aber als er das Blaulicht einschaltete, versuchte der kleine Idiot
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