Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Halloween

Halloween

Titel: Halloween
Autoren: Stewart O'Nan
Vom Netzwerk:
beeindruckt und halb als wollte er sagen: Wir sind alles, was wir haben. Das ist nichts Neues. Es ist bloß das, was Leuten wie uns passiert.)
     
    Sie nähern sich dem Baum von hinten. Sie sind so müde, dass sie im Dunkeln fast dran vorbeigehen. Travis sieht aus dem Augenwinkel zufällig eine weiße Schleife und dann den Rosenstrauß, den sie zusammenhält – gelb, als Erinnerung an uns (von Mr. Stone für Danielle). Vor dem Baum liegen viele Sachen, wie vor einem Schrein, nur auf der Seite, wo wir dagegengeprallt sind; alle wissen, in welche Richtung wir unterwegs waren. Travis knipst sein Feuerzeug an, um zu sehen, was für neue Gaben die Leute zurückgelassen haben, die herzförmigen Luftballons, die Duftkerzen und die in Plastikfolie steckenden Notenblätter. Der Stamm ist mit durchnässten Karten übersät, der Kranz von Kyles Mom deutlich sichtbar obendrüber, eine fest installierte Einrichtung, und unsere Schellackgesichter lächeln in die Ewigkeit. Die beiden beugen sich vor und betrachten das Foto wie ein Gemälde in einem Museum.
    «Mein Gott», sagt Greg, «das ist ja unheimlich.»
    «Allerdings.»
    «Wie spät ist es?»
    Travis starrt skeptisch in den Regen. «Keine Ahnung. Muss gleich so weit sein.»
    Er zieht seinen Rucksack ab und kniet sich hin, um den Reißverschluss zu öffnen, steckt die Hand rein und kramt nach dem Kanister mit Brennflüssigkeit, dessen Metall sich eindrückt, als er ihn packt.
    Greg kickt die ekligen, voll Wasser gesogenen Teddybären und das andere Zeug auf einen Haufen, den Travis mit der Flüssigkeit bespritzt. Greg darf den Stamm voll schütten und gießt noch was über den Haufen. Es riecht wie auf einer Grillparty.
    Sie glauben, ein Auto zu hören, und erstarren, aber es ist bloß der Wind.
    «Okay», sagt Travis, «geh ein paar Schritte zurück», dann hält er sein Feuerzeug an eine durchnässte Trollpuppe.
    Das Feuer breitet sich unspektakulär aus, in sich überlappenden blauen Wellen. Es brennt nur an der Oberfläche, das Fell der Stofftiere kokelt. Travis drückt auf den Kanister, und zischend lodert ein zufrieden stellender Flammenball auf und wärmt seine Wangen.
    «Schön»
, sagt Greg.
    Der Baumstamm und der Kranz fangen Feuer; die Fotos werfen Blasen und wellen sich. Das Feuer lodert kurz auf und erhellt die krummen Zweige über ihren Köpfen, dann erlischt es flackernd. Travis gießt nochmal Brennflüssigkeit nach, doch er ertränkt bloß die letzten züngelnden Flammen.
    «Es ist zu nass», sagt Greg.
    «Wir müssen bloß genug draufgießen», beharrt Travis und schüttelt den Kanister, um zu zeigen, dass noch jede Menge übrig ist. «He», sagt er, «niemand geht, bevor ich nicht mein anderes Bier getrunken hab.»
     
    Da ist er, da ist er. Brooks kann es kaum glauben, der rote Jeep, dem er das ganze Jahr in seinen Träumen gefolgt ist, aber da ist er, spritzt ein paar Meter von seinem Standort entfernt vorbei, das hellbraune Dach, die Wrangler-Reifenhülle, das seinem Gedächtnis eingeprägte Nummernschild. Er ist es. Brooks fühlt sich befreit – keine Vergebung, aber in diesem Fall ist er erst mal davongekommen (wir nicht, wir sind angeschmiert). Seine Mission direkt vor Augen zu haben, nachdem er ein Jahr lang mit Phantomen gekämpft hat, ist eine Erleichterung. Er schaltet mit einem Ruck auf Drive, vergewissert sich, dass die Spur frei ist, und knipst beim Losbrausen die Scheinwerfer an.
    Während er das Tempo erhöht, vergrößert der Jeep seinen Vorsprung. Es ist nass, ruft sich Brooks ins Gedächtnis, und sein Fuß drückt behutsam aufs Gaspedal, als er auf die linke Spurschwenkt. Sie sind die beiden einzigen Wagen auf der Straße. Brooks zieht das Lenkrad gerade, der Vic nimmt Fahrt auf, und der große V-8 drückt ihn in seinen Sitz zurück. Das Friendly’s und das Blockbuster fliegen vorbei, die Schatten menschlicher Gestalten in den Fenstern erstarrt. Er hat den besseren Wagen; bei einem Wettrennen wäre es ein ungleicher Kampf.
    Sie rasen bergab, am Wal-Mart und der Fleet Bank vorbei zu dem Flachstück mit dem D’Angelo und dem Boston Chicken. Er holt auf – vielleicht zu schnell. Tim fährt nur ungefähr hundertzehn. Brooks darf nicht denselben Fehler begehen wie letztes Mal, und er drosselt das Tempo. Aber als er das tut, fährt ihm der Jeep wieder davon.
    Damals fuhr er direkt hinter uns und warf das Blaulicht an. Vorschriftsgemäß, aber der Junge rastete aus. (Stimmt, sagt Toe. Und wer musste nochmal in den Fahrunterricht?) Jetzt lässt
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher