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Hacken

Hacken

Titel: Hacken
Autoren: Christoph Braun
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Ebenso muss auch das Arbeiten unkenntlich gemacht werden, denn Arbeit und Paradies gehören nicht zusammen. Säen und Ernten erfordern einen hohen körperlichen Einsatz. Da wird es zur Nebensache, ob man das lieber mit der Hand erledigt oder sich auf die Hilfe der Maschinen verlässt.
     
    Zunächst muss Bianca mir erklären, wo ich welches Werkzeug finde. Die Messer hier im Gewächshaus im Kästchen, die Grabegabel zwischen Gewächshaus und Folientunnel, hier kannst du Wasser anschließen, hier die Keimlinge umtopfen. Sie erklärt mir die Beete, der Salat ist schon ausgesät und die Möhren auch, und dort oben, siehst du, setzen wir nächste Woche die Kürbisse hin,der Kohl hat noch Zeit. Vom Boden steigt ein Geruch extremer Fülle auf. Es riecht nach Würmerkot und Kupfer, nach Sauerstoff und vermoderndem Grün. Mittags zerbirst der Garten vor Licht. Als die Sonne ins Orangene zu changieren beginnt, da ist es um mich geschehen.
    DER HACK SEINES LEBENS
    Ich bin das Skriptkiddie. Alt wie Intel bin ich, meinen ersten Commodore-Computer nutzte ich, als ich sechzehn Jahre alt war. Jahre hat es gedauert, bis ich den Joystick beherrschte; Jahre, bis ich Geschwindigkeit erzielen konnte auf der Tastatur. Meine erste Pendelhacke hielt ich mit 38 Jahren in der Hand. Es wird Jahre dauern, bis mir das Hacken so wenig Mühe bereitet wie Bianca. Bis die Bohnenstangen so schnell im Boden stehen und die Kartoffeln so schnell aus dem Boden sind. Das Umwälzende der Erfahrungen, die ich bei Athene Bio und auf dem Lindenhof machen konnte, besteht schon im Lernen selbst. Welche Bedeutung das Handlangerjobbing bei Norbert und Bianca bekommen sollte, davon hatte ich im Frühjahr 2009 noch keine Vorstellung. Mein Alltag hat sich deutlich verändert.
     
    Am Ende des Sommers bin ich bei der Kartoffelernte des Lindenhofs dabei. Was folgt, ist ein Job als Kartoffelsortierer, immerdienstags für ein ganzes Jahr. Als Norbert im Winter 2009 operiert werden muss, vertraut er mir seine Schafe an: Im Winter, wenn sie nichts mehr finden auf den Weiden, brauchen sie Kartoffeln und Heu. So werde ich allmählich zum Skriptkiddie. Immerhin. Skriptkiddie: so nennen Hacker diejenigen Leute, die programmieren können, ohne einen Code in all seiner Komplexität zu kennen. So wie Skriptkiddies lediglich nach Vorgaben ihre Arbeit erledigen, so habe ich noch nicht die Fertigkeiten und Erfahrungen gesammelt, eigene Ideen umzusetzen: Ich könnte noch keinen Garten anlegen, keine Beete planen, keine Fruchtfolge ansetzen. Doch ich habe ja Zeit. Ich möchte schreiben. Für das Gärtnern und Beackern habe ich ja all die Menschen um mich herum. Eines richtig tun, das mache ich und das ist das Schreiben. Schreibend streue ich meine Hacks. Schreibend entwerfe ich mein Land durch Worte. In Feld und Garten genügt es mir, das Skriptkiddie zu sein. Der tiefe Eingriff in mein eigenes Leben ist mithilfe von Norbert und Marcus, Bianca und Alexandra geschehen. So wächst ein Zirkel aus Freunden und Bekannten heran, und mit dem Wissen um die Lage auf dem Land verändert sich meine Perspektive auf das Leben am Elm.
     
    Die Ausrichtung dreht sich. Langsam blicke ich aus Evessen heraus, während ich in den ersten Jahren hier vor allem auf Evessen geschaut habe. Ohne es ahnen zu können, hat erst das Hacken mich dazu gebracht, mich mit dem Leben der Leute hier zu beschäftigen: Aus Ortschaft ist Ort geworden. In einer Ortschafthält man sich auf. An einem Ort entwickele ich aus meinen eigenen Erlebnissen mit den Lebensbedingungen heraus einen Blick auf meine eigene Zukunft, eine Wunschvorstellung: Einen Garten, der mich unabhängig macht von den Warenströmen. Einen Garten anlegen, mit Salaten und Kräutern, Kartoffeln und Kürbissen. Nebst einer riesigen Strauchreihe Himbeeren. Rubus idaeus habe ich lieben gelernt, in Eilum wächst wild eine kanadische Sorte. Flachwurzelnd, ausdauernd Früchte tragend, umwerfend schmeckend, die ersten Fröste vertragend … Die Himbeere vereinigt in sich die merkwürdigsten Attribute, und das in einer überwältigenden Fülle. Biologen und Botanikerinnen zählen jedes rosafarben leuchtende Pünktchen der Frucht als Beere. Ein Himbeergarten für mich allein; das »mich« ist dabei ebenso Mannigfaltigkeit wie die Wappenfrucht: der Himbeergarten ist ein Garten für Fehmi und Mascha und für unsere Freunde. Er drängt wie nie, der Wunsch nach Autarkie.
    SCHICHTEN
    Das wäre was. Etwas errichten, einen Garten, der mich mit dem versorgt, was ich zum
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