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Hacken

Hacken

Titel: Hacken
Autoren: Christoph Braun
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Leben benötige. Nicht nach Autarkie im Sinne der Volkswirtschaft, nach der sich Systeme so zu versorgen haben, dass sie auf keinerlei Importe angewiesen sind, steht mir der Sinn. Der Gedanke ist vielmehr ein philosophischer: Es gehtum die Selbstgenügsamkeit im Geiste, um die Unabhängigkeit. Ein Garten bedeutet, das zu ernten, was ich anbaue. Ein Gespür zu entwickeln für das, was ich kultiviere, und auch eine Sensibilität gegenüber dem Wasser und dem Boden, dem Klima und den sozialen Bedingungen, die ich für dieses Kultivieren benötige. Ich vermehre damit meine eigene Souveränität und meine Solidarität mit den anderen, die einkaufen oder selbst anbauen und damit politische Entscheidungen treffen.
     
    Die Autarkie der eigenen, der persönlichen Verfasstheit anzustreben, darum geht es. Sich möglichst unabhängig zu machen. Mit der hohl gewordenen Phrase vom Aussteigen hat das nichts zu tun. Ich möchte nicht außerhalb der Gesellschaft leben. Das ist von Anfang an keine Motivation des Umzugs nach Evessen. Nur eine größtmögliche Unabhängigkeit erreichen von Meinungen, vorgefasstem Denken, vorgefasster Sprache. Verbunden damit suche ich einen Weg, vom vorgefassten, hübsch eingepackten Essen möglichst weit weg zu kommen. Die Zeit in den Beeten von Athene Bio und in der Kartoffelscheune des Lindenhofs wirken da prägend.
     
    Autarkie kann demnach lediglich eine Perspektive bedeuten, nicht einmal ein Ziel im strengen Sinn. Da das Arbeiten im Nutzgarten jedoch immer eine Nähe zum Lebendigen bedeutet und gleichsam ein Sich-Abwenden vom gut abgepackten Produkt, greift der Begriff. Selbst wenn John Seymour nicht einmal in seiner soeinflussreichen Fibel
Selbstversorgung aus dem Garten
diese komplexe Vokabel benutzen wollte.
     
    Ein Garten würde außerdem bedeuten, tiefe Vertrautheit herzustellen mit dem Terrain. Das würde bedeuten, täglich eine Schleife zu drehen und dabei ein Auge für den Mikrokosmos zu trainieren. Die Schichten kennen zu lernen. Der Boden, auf dem Gemüse und Früchte wachsen, in dem die Würmer kriechen und aus dem das Getreide emporwächst. Hier in Eilum und Evessen ist es die Schwarzerde der Magdeburger Börde. Ihren fruchtbaren Gehalt bezeichnen die Bauern und Geologen als Schluff: Quarzkörner, Kalk, Feldspäte und vulkanische Gläser bezeugen die Jahrmillionen alte Geschichte des Planeten.
     
    Zeitschichten, Farbschichten, Verzahnung mit der Geschichte, Funken in die Zukunft. Von einem Boden aus lässt sich die Schichtung des Dorflebens ermessen. Der den Boden bearbeitende Mensch ist umgeben von der Wolke aus digitalen Daten, mit deren Hilfe die Kommunikation übertragen wird. Darüber aber geht es weiter. Ein Blick vom Wunschgarten hinauf in den Himmel, Sommernacht, klar: Ab und zu blinkt ein Himmelskörper.
     
    Wenn sich etwas da oben ganz schnell bewegt, dann ist es vielleicht ein GPS-Satellit, dessen Bewegungen um die Erde in mehr als 20   000 Kilometern Höhe nur einen halben Tag benötigen. Die Bedeutung dieser Satelliten hat Markus vom Lindenhof mir eherbeiläufig erläutert, als wir auf dem Weg zum Kartoffelsortieren einen konventionellen Bauern beim Vermessen seines Feldes sahen. Punkte stecke er ab, als Leitpunkte für die GPS-Daten seines Feldes. »Bis auf wenige Millimeter genau«, erzählte Markus, könne der sein Feld elektronisch erfassen.
     
    Wie weit verbreitet die GPS-Technik schon in der konventionellen Landwirtschaft ist, war mir damit allerdings immer noch nicht klar. Dafür bedurfte es langer Gespräche mit meinem Freund Dirk, dem Agraringenieur. Sie erst führten mich zu dem Schluss, dass neben dem Boden, dem Menschen, und dem Klima die Summe der Satellitenumlaufbahnen unbedingt eine weitere Schicht der Landwirtschaft darstellt. Das schon erwähnte C. A. F., die Abkürzung für Computer Aided Farming, ist das Stichwort. In diesem Zusammenspiel aus Landmaschinen voller Hochtechnologie, Mobilfunk, Internet, Erfassungs- und Verwaltungssoftware und Satellitenkommunikation geht es um Präzision aus Daten.
     
    Dafür virtualisieren die Landwirte ihre Felder. Für die computergestützte Landwirtschaft werden die Parzellen digital vermessen und von Satelliten erfasst, wie sie etwa Rapid Eye mit Sitz in Brandenburg an der Havel ins All schießt. Von Baikonur aus erreichen die Satelliten jene Umlaufbahnen mittlerer Höhe, die wegen ihrer speziellen Bodenspur auf der Erde am besten geeignet sind für Navigationsdaten jeglicher Art. Von dort oben, aus gut 20  
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