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Blanche - Die Versuchung

Blanche - Die Versuchung

Titel: Blanche - Die Versuchung
Autoren: Jane Christo
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Die Nacht ist vorgerückt.
    Der Tag ist nahe.
    Darum lasst uns ablegen die Werke der Finsternis
    und anlegen die Waffen des Lichts.
    (Römer 13, 12)
     
     
     
    E
    nzo griff nach der Flasche mit goldgelbem Inhalt und las das Etikett. Der Pinot war am Morgen zusammen mit anderen Re b sorten in einer Holzkiste verpackt aus der Charente-Maritime eingetroffen. Scheiß teures Zeug, das er nicht mal selb st trank. Er blieb bei Rotwein, denn der schwere Aperitif war ihm zu süß.
    Nachdem er seinen Gast versorgt hatte , nahm er in einem blutroten O h rensessel Platz und beobachtete sein Gegenüber, der den Pinot anscheinend mehr zu schätzen wusste als er.
    Dieses Gespräch gestaltete sich schwieriger als erwartet – Wyss hatte sich als harte Nuss entpuppt. Er war ein unabhängiger junger Mann, der es nicht nötig hatte , mit ihm zusammenzuarbeiten, und das ließ er ihn seit einer Stunde spüren. Dabei blieb er stets verbindlich, denn er war ein aufgewec k ter Bastard, zu klug, dem Familienoberhaupt der führenden Familie Fran k reichs vor den Kopf zu stoßen. Führend zumindest , was die Unterwelt a n ging.
    Und eben da wollte Enzo raus. Schon seit Jahren plante er , aus den Scha t ten der Vergangenheit zu treten und in die Politik einzusteigen. Am großen Spiel teilzunehmen und die Karten in Paris neu zu verteilen. Aber so etwas wollte gut vorbereitet sein, denn es gab immer wieder Klugschei ß er, die ihm ordentlich Sand ins Getriebe streuten. Einer davon hieß Sergej, der Führer der russischen Version der Mafia, die sich Vory-V-Zakone nannte, was übe r setzt so viel wie Diebe im Gesetz hieß.
    Enzo schlug die Beine übereinander und beobachtete Wyss, der ihn an e i nen Schauspieler erinnerte. Wie hieß dieser Typ noch mal , der die Hauptrolle in The Mentalist spielte? Sein Sohn versäumte keine Folge dieser Serie. Der Name fing mit ei nem A an – oder war es ein B?
    Trotz seiner Reserviertheit schätzte Enzo den aus Frankreich stammenden Schweizer, der es aus eigener Kraft zur Nummer eins im Rotlich t viertel g e bracht hatte. Er würde mit viel Fingerspitzengefühl vorgehen müssen, um Wyss an sich zu binden. Glücklicherweise verfügte Enzo über einen Joker, und nach der letzten zähen Stunde hohlen Geplänkels dachte er daran, ihn auszuspielen.
    Ausgezeichnete Kontakte waren nur eine seiner Stärken. Das Oberhaupt der italienischen Mafia in Paris verfügte über ein dichtes Netz aus Informa n ten, die ihm jedes noch so kleine Gerücht, jedes Flüstern zuführten. Und er interessierte sich für alles. So hatte er erfahren, dass der gute Marcel Wyss bis über beide Ohren verliebt war . E twas, das in ihren Kreisen selten bis gar nicht vorkam. Lust kannte er zu gut, Begehren war seine Spezialität. Aber Liebe?
    Wenn man sich über einen längeren Zeitraum mit dem Bodensatz der G e sellschaft beschäftigte, verlor man früher oder später seine Illusionen. Und was anders war die Liebe als eine große Seifenblase, die zwangsläufig i r gendwann zerplatzte? Zurück blieb ein schmieriger Schleim, bei dem man aufpassen musste, dass man nicht darauf ausrutschte und sich am Ende das Kreuz brach. Nein, Enzo war Realist. Obwohl auch er nicht immun gegen die Verlockungen einer Verliebtheit war, wie er vor Kurzem feststellen mus s te. Wie von selbst drifteten seine Gedanken zu Nella, die seit einigen W o chen die Frau an seiner Seite war. Letzten Monat stand sie noch auf dem Straßenstrich vor dem Bahnhof, heute lebte sie unter seinem Dach, als wäre das die natürlichste Sache der Welt. Er hatte keine Ahnung, wie sie es g e schafft hatte , ihn innerhalb kürzester Zeit für sich einzunehmen. Für eine Frau ihrer Profession hatte sie etwas erstaunlich U nschuldiges an sich. Vie l leicht war es auch der Blick ihrer jadegrünen Augen, der ihn gefangen g e nommen hatte, womöglich ihre unerklärliche Naivität. Aber genug davon, hier ging es nicht um Nella, sondern um Wyss.
    A ls er den Mund öffnete, um seinen größten Trumpf auszuspielen, klinge l te sein Mobiltelefon. Dannatamente , ausgerechnet jetzt! Enzo entschuldigte sich, zog das plärrende Etwas aus der Innentasche seines Jacketts und ru n zelte die Stirn, als er den Anrufer erkannte. Dabei entging ihm nicht, dass Wyss ihn aufmerksam beobachtete. A uf diesen Burschen würde er gut ach t geben müssen. Hinter d er galanten Fassade lauerte etwas Wildes, denn ohne ein paar Arme zu brechen, kam man in ihrem Metier nicht weiter. Auch nicht ein Marcel Wyss mit all seinem
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